Kritik zu Blinded by the Light
Gurinder Chadha erzählt in Goodfeel-Form davon, wie Bruce Springsteen einem Migranten beim Aufwachsen in der britischen Provinz hilft
Ein beliebtes Filmthema waren die großen (meistens männlichen) Popstars des 20. Jahrhunderts immer schon, doch aktuell haben sie Hochkonjunktur. Nach Freddie Mercury, Elton John und jüngst den Songs der Beatles (»Yesterday«) ist nun Bruce Springsteen dran. Oder zumindest seine Musik.
Denn »Blinded by the Light«, der neue Film der britischen Regisseurin Gurinder Chadha, handelt nicht vom Leben von Bruce Springsteen selbst, sondern von einem, das der »Boss« mit seinen Liedern und vor allem Texten nachhaltig beeinflusst hat. Der 16-jährige Javed (Viveik Kalra) wächst als Sohn pakistanischer Eltern Mitte der 80er Jahre in Luton auf, von wo es trotz der vermeintlichen Nähe zu London kein Entkommen zu geben scheint. Zu Hause herrscht ein streng patriarchalisches Regiment (den Vater spielt Kulvinder Ghir, aktuell auch in Gurinder Chadhas TV-Serie »Beecham House« zu sehen) mit unbedingtem Fokus auf Fleiß und Disziplin, derweil auf dem Schulweg gerne mal die Neonazis aus der Nachbarschaft lauern.
Doch als Javed, der selbst bevorzugt seine Gefühle mittels Gedichten zum Ausdruck bringt, durch einen Schulkameraden die Songs von Bruce Springsteen kennenlernt, ist das ein echtes Erweckungserlebnis. Denn wie sich herausstellt, kann auch ein weißer Rocker aus dem amerikanischen New Jersey einem pakistanisch-stämmigen Teenager in der englischen Provinz aus der Seele sprechen und dabei helfen, sich selbst zu finden. Und natürlich auch zum Tragen von Jeansjacken anregen.
Ob mit dem Kulturen- und Generationen-Clash innerhalb einer Einwandererfamilie, dem Erwachsenwerden in der Provinz oder der Leben verändernden Kraft der Musik – mit keinem Element ihres Films erfindet Chadha das Rad neu. Überraschungen auf Plot-Ebene sucht man in »Blinded by the Light« vergeblich, obwohl die Story lose auf der Autobiografie des im Thatcher-England groß gewordenen Journalisten Safraz Manzoor basiert. Umso erfreulicher ist es aber, mit welcher Ernsthaftigkeit und Sympathie sie sich der Sache – und ihrem Protagonisten – verschreibt. Hier sind nicht Ironie und Augenzwinkern angesagt, sondern pures Feelgood-Kino, wie damals in »Kick It Like Beckham«.
Erstaunlich und unerwartet ist allerdings, wie viel Raum die Regisseurin tatsächlich den Liedern Springsteens einräumt, die hier sorgfältig ins Skript integriert sind und Chadha hin und wieder sogar mit (nicht immer gleichermaßen gelungenen) Musical- und Videoclip-Elementen spielen lassen. Hier hätte es fast noch ein wenig mehr Experiment sein dürfen, doch genau wie der Boss bleibt »Blinded by the Light« dann doch lieber ganz bodenständig. Wer Springsteen-Fan ist, kommt in jedem Fall besonders auf seine Kosten, doch auch wer mit seiner Musik bislang kaum in Berührung kam, bekommt hier ein Gespür dafür, was das Besondere an ihr ist. Was nicht zuletzt auch Hauptdarsteller Kalra vermittelt, der sich als einnehmende Neuentdeckung erweist.
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns