Kritik zu Bad Lieutenant – Cop ohne Gewissen
Ein Remake des Films von Abel Ferrara? Nicht wirklich. Werner Herzog gelingt mit diesem Neo-Noir eine in jeder Hinsicht eigenständige und überraschende Variation auf ein Genrethema
Es war 1992, da hinterließ der New Yorker Abel Ferrara eine unvergessliche Spur im internationalen Kino: Als unmoralischen und doch erlösungswilligen »Bad Lieutenant« schickte er Harvey Keitel auf die nassen, neonschimmernden Straßen der Metropole und erschuf einen Antihelden in der Tradition der schwärzesten Films noirs. Als Ed Pressman, der Produzent dieses Films, 2008 ein Remake ankündigte, war das Erstaunen groß – zu sperrig erschien bereits das Original. Als Pressman Werner Herzog für die Regie gewann und Nicolas Cage als Hauptdarsteller, war der Boden für wildeste Spekulationen bereitet. Ferrara hatte Herzog einst in »Snake Eyes« (1993) gehuldigt und zeigte sich erbost über die Idee eines Remakes, während Herzog vorgab, nie von Ferrara und dessen Film gehört zu haben. Schließlich gab man auch den neuen Titel bekannt – »Bad Lieutenant – Port of Call: New Orleans« –, der eher eine Fortsetzung als ein Remake signalisierte. Das erschien noch absurder, da der Protagonist des Originals bekanntlich sein Leben opfert. Es war also Schlimmstes zu befürchten.
Umso erstaunlicher ist das Erlebnis, Herzogs neuen Film nun zu sehen. Nach einigen eher essayistischen Werken legt er hier einen veritablen Neo-Noir-Cop-Thriller vor, der von dem schwülen Ambiente der verfallenden Stadt New Orleans nach dem Hurricane Katrina zehrt und einen exzessiv chargierenden Nicolas Cage als drogensüchtigen, wettsüchtigen und vergewaltigenden Polizisten bietet. Das ist mit nichts vergleichbar, was man bislang von dem in Deutschland nach »Fitzcarraldo« (1981) eher mit Skepsis beobachteten Werner Herzog gewohnt war: rasantes Erzählkino mit internationalen Stars, Standardsituationen des Polizeifilmgenres und Shoot-outs im Hip-Hop-Style.
Und doch finden wir hier Spuren aus Herzogs Werk: So ist neben Cage und Eva Mendes auch Brad Dourif als Wettsalonbesitzer zu sehen. Dourif durfte mit seinen Manierismen Herzogs »The Wild Blue Yonder« (2006) beleben. Auch der Blick auf Natur und Tierwelt bleibt einzigartig: Teile von Sequenzen drehte Herzog in »Echsenvision« – aus der verzerrten Untersicht von Leguanen und Alligatoren, die das Sumpfland um New Orleans bevölkern. Und zwischen all diesen bizarren Momenten bekommt Nicolas Cage freie Hand, seinen obsessiven Cop mit rollenden Augen und aggressiven Ausbrüchen zum Klaus-Kinski-Monument zu gestalten – des Schauspielers, der Herzog mit zur Kinolegende machte.
Terence McDonagh (Cage) ist Polizist in New Orleans. Gegen seinen chronisch schmerzenden Rücken hat man ihm Vicodin verschrieben, doch lieber entwendet er Kokain aus der Asservatenkammer der Polizei – oder aus dem Besitz von Verdächtigen. Eine Drogenliebschaft verbindet ihn mit dem Edelcallgirl Frankie (Mendes), auch wenn er weiterhin gerne seine Kollegin Heidi (Fairuza Balk) ausnutzt – oder eine Verdächtige sexuell belästigt (hier ähnelt er dem Keitel-Charakter). Obwohl McDonagh ein Risiko für seine Kollegen (unter anderen Val Kilmer) darstellt, lassen sie ihn gewähren, denn seine Methode ist erstaunlich effektiv, wenn auch inhuman und korrupt. In einer Szene foltert er eine Rentnerin im Rollstuhl, indem er ihr die Sauerstoffzufuhr entzieht. Doch stets sind seine Taten von einer unbestechlichen inneren Logik geleitet. Und wie er zu Beginn für seine Verdienste zum Lieutenant ernannt wird, wartet auch später eine Beförderung auf ihn. Dazwischen ist sein Weg von Leichen gesäumt – Gangsterbosse und Drogendealer, aber auch eine ganze Familie, die dem alltäglichen Drogenkrieg zum Opfer fällt.
Der neue »Bad Lieutenant« mag, im Original wie auf Deutsch: als Cop ohne Gewissen, mit einem albernen B-Picture-Titel gestraft sein, der Film aber gehört zu den geschlossensten und stärksten Werken, die uns Herzog, eine Legende des neuen deutschen Films der Siebziger, seit Jahren hinterlassen hat. Bevölkert von bizarren und originellen Charakteren, getragen von Peter Zeitlingers monochromen Bildern, die alles Pittoreske vermeiden, untermalt von einem geheimnisvollen Folk-Soundtrack, in dem die Klangfetzen eines Noir-Saxofons von ferne klagen. Ein düsterer Film mit grimmigem Humor und einem Schimmer Hoffnung am Ende.
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