Kritik zu Auf alles, was uns glücklich macht

© Prokino

Während der Pandemie fungierte Gabriele Muccinos Generationenporträt in Italien als nostalgischer Trostspender. Es beschwört den Mythos der Freundschaft fürs Leben – und wirft Urheberrechtsprobleme auf

Bewertung: 3
Leserbewertung
0
Noch keine Bewertungen vorhanden

Eines Tages, der Film nähert sich seinem Ende, nimmt Giulio seine Tochter Sveva mit auf eine Reise in die Vergangenheit. Der erfolgreiche Anwalt spürt, wie sehr sie unter dem Scheitern seiner Ehe leidet. Nun will er zu einer Einsicht gelangen, die er mit ihr teilen kann. Sie besuchen das Viertel, in dem er aufwuchs. Das Fenster zur Wohnung im Souterrain, wo die Familie lebte, steht offen. Die heutigen Bewohner bitten den Fremden freundlich herein. Giulio (Pierfrancesco Favino) dankt es ihnen mit einer Herzlichkeit, die er bisher selten zeigte. Er weiß noch genau, wo jedes Zimmer liegt. Es hat sich wenig verändert seither. Mit dem Ort verbinden ihn nicht nur gute Erinnerungen. »Bei uns wurde alles mit dem Gürtel geregelt«, erzählt er, »selbst meine Mutter hatte Angst.« Am Anfang, der in seiner Jugend spielt, verbrachte der Film kaum Zeit in seinem Zuhause. Wir entdecken es neu; auch mit den Augen Svevas. Sie solle keine Kompromisse eingehen, fordert der Vater sie am Ende des Besuchs auf, das Leben müsse für sie passen, nicht für die anderen.

Wie Giulio und seine Jugendfreunde diese Lektion lernen, erzählt Gabriele Muccino in einem melancholischen Bogen, der vier Jahrzehnte umspannt. Als Teenager waren sie eine Viererbande, die unzertrennlich schien. Als Erwachsene kommen sie an Scheidewege. Giulio, der als Verteidiger an gleiches Recht für alle glaubte, gerät in den Bannkreis eines Berlusconi-haften Geschäftsmannes. Der prinzipienstrenge Paolo (Kim Rossi Stuart) will seine Überzeugungen als Lehrer weitergeben. Der wackere Riccardo (Claudio Santamaria) droht in allen Belangen des Lebens zu versagen und kriegt doch immer wieder die Kurve. Gemma (Micaela Ramazzotti) steht lange zwischen Paolo und Giulio, hört aber nie auf, eine gute Kameradin zu sein. Ihre Leben, so will es Muccino, sollen Schritt halten mit den Umbrüchen Italiens.

Ihre Geschichte ist dem italienischen ­Publikum bestens vertraut: aus »Wir waren so verliebt«, Ettore Scolas Generationenporträt, das seit 1974 eine einzigartige populäre wie intellektuelle Strahlkraft entfaltet. ­Muccino folgt dem Vorbild bis ins Detail, übernimmt weitgehend dessen Figurenkonstellationen und macht sich dessen Lebensbilanz zu eigen: »Wir wollten die Welt ändern, aber die Welt hat uns verändert.« Das kommt dem Plagiat anrüchig nahe. Aber Originalität war nie die größte Sorge dieses Erzählmodells, das auf Versöhnung und bürgerliche Selbstvergewisserung zielt.

Auch in der Überschreibung erringt Muccinos Film selbst verdiente Qualitäten – erst recht wenn er Momente hinzuerfindet wie Giulios sentimentale Rückkehr mit der Tochter. Der Regisseur ist ein sorgsamer Ensemblefilmer. Er folgt dem Werdegang seiner Figuren nicht nach Proporz, sondern weil ihn in gleichem Maße berührt, was ihnen zustößt. Darüber kann er nicht leicht hinweggehen: Sein Film ist lang, man ahnt, dass viele Ellipsen nicht im Drehbuch standen, sondern am Schneidetisch notwendig wurden. Muccino hätte gern noch mehr Zeit mit seiner Viererbande verbracht.

Meinung zum Thema

Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns

Mit dieser Frage versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt