Kritik zu Aretha Franklin: Amazing Grace

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Nach fast 50 Jahren ist der Film über Aretha Franklins epochales Gospelalbum endlich fertig. Aus dem von Sydney Pollack gedrehten Material hat Alan Elliott mehr als einen handelsüblichen Konzertfilm montiert

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Nicht von ungefähr herrscht in Aufnahmestudios, Musikclubs und bei Konzerten gedämpftes Licht. Musizieren ist ein intimer Akt, der keine Ablenkung verträgt. Wenn man die ersten Aufnahmen der grell ausgeleuchteten Missionary Baptist Church in Los Angeles sieht, mag man kaum glauben, dass hier 1972 eine Sternstunde der Soul- und Gospelgeschichte stattfand.

Gastgeber Reverend James Cleveland gibt sich alle Mühe, das Publikum in Stimmung zu bringen – ein begnadeter Einpeitscher, der frenetische Begeisterung entfacht, noch bevor Aretha Franklin die erste Note singt. »Amazing Grace« ist kein Konzertfilm wie andere. Er zeigt, wie eine Messe gefeiert wird, bei der jeder Zeugnis ablegt, singend, tanzend und klatschend. Inmitten dieses Tumults der Euphorie bleibt Franklin ruhig und konzentriert. Die Tochter eines Baptistenpredigers hat eine Mission an diesen zwei Abenden: Sie will zurückkehren zu den religiösen Wurzeln ihrer Kunst. Ihre Verzückung vertraut sie ganz ihrer Stimme an. Vom Soul zum Gospel ist es für sie nur ein kleiner Sprung, neben den der Gemeinde vertrauten Hymnen interpretiert sie auch Stücke von Marvin Gaye und Carole King, ohne dass ein spiritueller Unterschied zu spüren wäre.

Der entflammte Reverend stiehlt ihr fast die Show. Das kann sie souverän zulassen; sie bleibt das Zentrum dieses Gottesdienstes. Sydney Pollack sollte den Auftritt, der auch in ein Livealbum mündete, für Warner mit der Kamera festhalten. Angesichts der um sich greifenden Ekstase wird er der Situation nicht Herr. Regisseur Allan Elliott und sein Cutter Jeff Buchanan haben das Drehmaterial nachträglich montiert und bringen dabei nicht mehr Ordnung in das Chaos, als nötig ist. Die Situation ist das Entscheidende, nicht die makellose Aufnahme der Musikstücke. In seinen Spielfilmen legte Pollack immer Wert darauf, dass sie ein thematisches Rückgrat hatten. In diesem Dokumentarfilm wäre das die leidenschaftliche Interaktion der Künstlerin mit ihrem Publikum – und die Aufhebung der Grenze zwischen ihnen.

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