Kritik zu Ajami
Naher Osten, hautnah. Eine Vendettageschichte in den staubigen Straßen von Jaffa, bei der keine Seite – weder Juden noch Araber – ungeschoren bleibt
Ajami heißt ein Viertel von Jaffa, aber von der weltläufigen »weißen« Mutterstadt Tel Aviv mit ihren großzügigen Bauhausstraßenzügen ist man hier weit entfernt. Die verschachtelte arabische Altstadt kommt wie gerufen für eine saftige Familienfehde mit Vendetta, Verfolgung, illegalen Grenzgängern – eben die ganze Palette der bekannten Problemfelder der Region, die hier auf Spielfilmzeit verdichtet werden sollen. Das Zuviel bahnt sich schon in den ersten Minuten an. Zunächst bemüht sich der Film allerdings noch um klare Zuordnungen und erzählt sein erstes von fünf Kapiteln halbwegs zu Ende.
Zwei Übeltäter rasen auf einem Moped vorbei und strecken einen Mann nieder, den sie für »Omar« hielten. Ein fehlgeschlagener Rachefeldzug, denn dieser Omar ist nur der Neffe des eigentlich Gesuchten, der sich in einer Kneipe gegen einen bewaffneten Beduinen, der Schutzgeld forderte, zur Wehr gesetzt hatte und diesen erwischte. Aber die Clangesetze sind offenbar so, dass die Beduinenfamilie ein Recht auf Genugtuung, sprich Entschädigung, hat, obwohl sie es war, die den Erpresser losgeschickt hat. Für den außenstehenden Beobachter sind die Verhältnisse schwer durchschaubar. Aufklärung schafft eine lange und eindrucksvolle Gerichtsszene, die wie eine Sitzung der Stammesoberhäupter aussieht und den merkwürdigen Handel schildert, in dem eine Bluttat mit Geld aufgewogen und darum geschachert wird. Was dabei herauskommt, stürzt Omar ins Unglück, denn wo soll der Habenichts die riesige Summe auftreiben, die ihm – nach unserem Rechtsempfinden – doch gar nicht hätte aufgebürdet werden dürfen.
Neben Omar spielt der erfolgreiche Geschäftsmann Abu Elias, der zur Arabisch sprechenden christlichen Minderheit gehört und mit beiden Seiten – Moslems wie Juden – Kontakte unterhält, eine entscheidende Rolle. Er handelt das Geschäft aus, fungiert für alle als Arbeitgeber in seinem Restaurant, duldet aber keineswegs, dass seine Tochter mit dem Habenichts und Moslem Omar anbandelt. Bei ihm landet auch der sechzehnjährige Palästinenser Malek, ein illegaler Grenzgänger, der Geld für die Rückenmarkoperation seiner Mutter verdienen muss. Zuletzt kommt noch der jüdische Polizist Dando ins Spiel, dessen Bruder auf einer Patrouille verschwunden ist, der aber auch wenig Federlesens macht, wenn er mit dem arabischen Klüngel in Ajami zu tun hat.
Die arabische Erzählerstimme des kleinen Nasri (Bruder von Omar) versucht, das Geschehen zu lenken, aber die unüberschaubare Schar der Beteiligten (ausschließlich Laien) schürt nur den Eindruck einer ständig schwelenden Feindseligkeit zwischen allen Parteien. Ohne dass der Film eine Moral zu verkünden hätte, führt er das Übel im Zusammenleben verschiedenster Gesellschaften in einem Schmelztiegel mit Apartheidstruktur vor, die allenfalls durch die Liebe infrage gestellt wird. Die beiden Regisseure Scandar Copti und Yaron Shani legen Wert darauf, dass sie nur Wahres verarbeitet haben, und leben als arabischer Christ und israelischer Jude eine Freundschaft vor, die man in diesem Film vergeblich sucht.
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns