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28.11.2024
Enrique Sánchez Lansch 61, Regisseur und Produzent, wuchs in Gijón, Spanien, und Köln auf, lebt seit 2002 in Berlin. Er dreht vor allem Dokumentarfilme, meist mit musikalischem Bezug – darunter der vielfach preisgekrönte »Rhythm Is It!«, »Sing um Dein Leben«, »The Promise of Music« und »Das Reichsorchester«. Sein neuer Film »Pol Pot Dancing« startet am 5.12. in den Kinos.
Einspruch, Euer Ehren!
Mad Max: Fury Road ist nichts weniger als das pure Sehen, die pure Visualität, das pure Kino! Der Film ist eine einzige Aneinanderreihung von Suspense- und Überraschungsmomenten. Von der strukturellen Reduziertheit wohl am ehesten vergleichbar mit Steven Spielbergs B-Movie Duel.
Die Figuren bieten kein Identifikationspotenzial? Vielleicht weil in einer endzeitlichen Dystopie, in der es nur noch ums nackte Überleben geht, Gewalt eine Art Wahnsinn ist und der Mensch zwangsläufig auf archaische Verhaltensmuster zurückgeworfen wird, zivilisatorische Identitäten eben zerstört bzw. beinah bis ins Unkenntliche deformiert sind, also andererseits auch nur noch wenige Möglichkeiten bieten, sich als Zuschauer mit ihnen zu identifizieren. Deshalb erscheint zudem eine fehlende Charakterisierung durchaus folgerichtig.
Fury Road hat keinen klassischen Plot? Diesen besaßen viele Filme der Nouvelle Vague oder des italienischen Neorealismus ebenfalls nicht. Doch blieb nicht auch da das humane Element stets im Zentrum des Blickwinkels?
Filmkritiker machen einen kapitalen Fehler: Sie bewerten immer nur das Drehbuch. Doch schlagen wir mal Francois Truffauts Interview mit Alfred Hitchcock auf: Hat Euch eben das der Meister nicht schon vor vielen Jahrzehnten völlig zurecht vorgeworfen? Und was habt Ihr daraus gelernt?
Action-Streifen sind eigentlich nicht mein Ding, und ich mag auch keinen einzigen Superhelden-Film. Die sind nach meinem subjektiven (wahrlich nicht repräsentativen) Geschmack durch die Bank weg alle Schrott. Teilweise ausgenommen vielleicht noch Nolans Batman-Trilogie. Aber ich möchte hier eine Lanze für Mad Max: Fury Road brechen. Er ist obszön, laut, unvorhersehbar, kakofonisch, extravagant, eine hochexplosive Raserei, eine pyromanische Heavy-Metal-Sinfonie, ein völlig abgedrehter, bizarrer, dennoch hochprofessioneller, jederzeit nachdenklicher Punk-Postapokalypse-Western. Für mich bislang einer der besten Filme des 21. Jahrhunderts.