Apple TV+: »Lady in the Lake«

»Lady in the Lake« (Serie, 2024). © Apple TV+

»Lady in the Lake« (Serie, 2024). © Apple TV+

Zwei Frauen, eine Stadt

So unübersichtlich und dicht gedrängt geht es auf dem Markt der Streaming-Serien inzwischen zu, dass es so etwas wie Erfolgsgarantien schon lange nicht mehr gibt. Große Stars? Gefeierte Regisseur*innen? Populäre Vorlagen? Aufwendige Schauwerte? Nichts scheint heutzutage verhindern zu können, dass selbst Produktionen mit großen Stars kaum wahrgenommen werden oder zumindest schnell wieder in der Versenkung verschwinden. The Terminal List mit Chris Pratt oder Lulu Wangs Expats mit Nicole Kidman können davon genauso ein Lied singen wie die Bestseller-Adaption Der Tätowierer von Auschwitz. Nun gibt es mit »Lady in the Lake« eine Serie, die sogar alle vier dieser Kriterien erfüllt – und der man ohne Frage ein anderes Schicksal wünscht.

Basierend auf dem gleichnamigen Bestseller von Laura Lippman erzählt Schöpferin und Regisseurin Alma Har'el in »Lady in the Lake« die Geschichte zweier sehr unterschiedlicher Frauen im Baltimore der 1960er Jahre. Maddie Schwartz (Natalie Portman) ist eine jüdische Hausfrau und Mutter, die sich aus Flucht vor der eigenen Vergangenheit in traditionelle Rollenstrukturen begeben, aber eigentlich den Traum von einer Karriere als Journalistin nie aufgegeben hat. Als ein junges Mädchen aus ihrer Community verschwindet, stürzt sie sich mit Besessenheit auf den Fall und bricht dazu aus der Enge von Haushalt und Ehe aus.

Ganz anders dagegen das Leben von Cleo Johnson (Moses Ingram), die sich zwischen verschiedenen Jobs, nicht zuletzt für einen mehr als zwielichtigen Nachtclub-Betreiber, aufreiben muss, um als Schwarze Mutter mit kaum anwesendem Partner irgendwie genug Lebensunterhalt zu verdienen. Statt um Selbstverwirklichung bleibt ihr nur darum zu kämpfen, nicht unter die Räder zu kommen. Auch in Cleos Umfeld gibt es eine Verbindung zum Fall des besagten Mädchens. Doch das erkennt Maddie erst, als es viel zu spät ist.

Nach ihrem in den USA viel beachteten Spielfilmdebüt Honey Boy war man gespannt, welches das nächste Projekt der gebürtigen Israelin Alma Har'el sein würde. »Lady in the Lake«, noch vor seinem Tod angestoßen von »Big Little Lies«-Macher Jean-Marc Vallée, ist nun für die Regisseurin der ideale Rahmen, all ihr Talent und ihre Ambitionen zur Schau zu stellen. Wie sie, allein verantwortlich für die Inszenierung aller sieben Folgen, hier Noir-Thriller, Zeitgeschichte und Familiendrama vermengt und durch Zeitsprünge, Traum-Sequenzen und visuelle Spielereien mit Flair versieht, ist in jedem Fall eindrucksvoll.

Auch inhaltlich will die Serie viel und verhandelt über seine beiden komplexen und komplizierten Protagonistinnen Themen wie Mutterschaft und weibliche Selbstbestimmung, Intersektionalität und die Frage, wie man unterdrückt oder diskriminiert wird und gleichzeitig unterdrückend oder diskriminierend sein kann. Die Sorgfalt, mit der Har'el und ihr Writers' Room (bestehend aus ihrem jüdisch-amerikanischen Ex-Ehemann Boaz Yakin sowie den Schwarzen Autorinnen Briana Belser, Nambi E. Kelley und Sheila Wilson) die Lebenswelten beider Frauen darstellen, trägt dabei zum Gelingen entscheidend bei.

Der selbstgesetzte Anspruch, Maddie und Cleo auf Augenhöhe zu zeigen, wird am Ende nicht ganz eingehalten, was einerseits am Plot der Geschichte, andererseits an Portmans Starpower liegt (auch wenn Ingram schauspielerisch sicher mithalten kann). Das mindert aber kaum die Freude darüber, dass sich alle Beteiligten überhaupt auf eine derart vielschichtige Geschichte und übrigens alles andere als leicht zugängliche oder sympathische Figuren eingelassen haben. Weil obendrein auch sonst, von der Ausstattung über die Kameraarbeit von Lachlan Milne (»Minari«) bis hin zu den Nebendarsteller*innen, in »Lady in the Lake« überall höchstes Niveau angesagt ist, kann man nur hoffen, dass diese Serie wirklich die Aufmerksamkeit erfährt, die sie verdient hat.

OV-Trailer

Meinung zum Thema

Kommentare

Kann es sein, dass im Satz "(...) und die Frage, wie man unterdrückt oder diskriminiert und gleichzeitig unterdrückend oder diskriminierend sein kann" das Hilfsverb "wird" nach "diskriminiert" fehlt?
Ansonsten: Gute Serie!

Vielen lieben Dank, das haben Sie vollkommen richtig bemerkt. Die Korrektur ist entsprechend eingepflegt. Besten Gruß aus der Redaktion, Christian Hein

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