arte-Mediathek: »Echte Norweger«
»Echte Norweger« (Serie, 2021). © Dag Jenssen / Hakon Jarle Sveen / Fredrik Stabenfeldt
Die Schwiegereltern des frisch verwitweten Marwan verunglimpfen ihn als schlechten Vater, sie wollen das Sorgerecht für dessen Tochter Kiki. Marwan weiß sich nicht anders zu helfen, als die Fünfjährige zu »entführen«, will mit ihr außer Landes, zu seinem eigenen Vater. Den nötigen Pass gibt es nur, wenn die junge Dame persönlich auf dem Amt erscheint. Zu heikel für Marwan.
Ein Bekannter aus Jugendtagen lässt sich überreden, seine eigentlich aufgegebene Profession als Fälscher noch einmal aufzufrischen, benötigt aber zehn Tage für den Auftrag. Marwan wird nervös, glaubt sich von der Polizei verfolgt. Adil, ein ehemaliger Schulkamerad, will gerade mit zwei Freunden aufs Land, um für einen verreisten Verwandten dessen Bauernhof zu hüten. Ein ideales Versteck. Marwan schließt sich dem Trio an. Tariq und Khabib, die anderen beiden, sehen es nicht gern.
Sie und Adil sind religiöse Muslime, tragen arabische Tracht und Bärte, verrichten artig die vorgeschriebenen Gebete. Und werden gleich misstrauisch beäugt, als sie die kleine Landgemeinde erreichen. Vor der Polizistin heben sie sicherheitshalber die Hände, werden aber bald von den meisten Bewohnern akzeptiert. Andere hingegen legen sich Tarnkleidung zu und sich selbst auf die Lauer.
Adil, Tariq und Khabib kümmern sich um die Ziegen des abwesenden Besitzers, reden aber auch immer wieder von einem »Plan«, wonach sie »Medizin« herstellen wollen. Sie sind auffällig an Kunstdünger und anderen chemischen Stoffen interessiert, hatten auch einiges angekarrt, aber das ist Khabibs wildem Fahrstil zum Opfer gefallen. Jetzt halten sie Ausschau nach Ersatz. Es gelingt ihnen, Adil, der in seinem Vorleben HipHop-Beats komponierte, als Musiklehrer in der örtlichen Schule unterzubringen, wo er den Chemieraum plündern soll. Auch der hippieske Entsorgungsexperte, ein Allroundtalent namens Bottich, kommt als Lieferant infrage und wird ständiger Gast der frisch gebackenen Ziegenzüchter. Die Verwicklungen nehmen ihren Lauf. Der mürrische Khabib und die fröhliche Kiki werden gute Freunde. Adil erfährt, dass seine Schwester Anisa die Eltern ausgetrickst hat und allein in Oslo lebt. Er fährt hin und holt auch sie auf den Hof. »Langsam wird das wie 'ne Sitcom hier«, klagt der mürrische Khabib. »Zu viele Menschen.«
Sitcom passt. Die Serie »Echte Norweger« hat solche Momente. Marwan ist nicht zum Entführer geboren, und wenn es sich bei Tariq, Khabib und Adil um Terroristen handeln sollte, was an dieser Stelle weder bestätigt noch dementiert werden kann , dann sind sie nicht gerade Leuchten ihres Fachs.
Es wird noch mehr geboten. Tragik, Melodram, Krimi. Und immer wieder erklimmen die Protagonisten die Metaebene. Sie sprechen direkt in die Kamera, einmal befiehlt Marwan der Regie, die schwülstige Musik abzustellen.
Anne Bjørnstad, die schon an »Lilyhammer« beteiligt war, hat mit Izer Aliu ein wildes, dabei nicht unpolitisches Garn ausgeheckt. Einfalls- und anspielungsreich, witzig, hintergründig. Ein toller Wurf.
Kommentare
Echte Norweger
Wilde Mischung, war restlos begeistert
Echte Norweger
Inhaltsvoll, kertwendig und eine Falle für die eigenen Vorurteile
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