Kritik zu Satte Farben vor Schwarz
Um das Leben unmittelbar vor dem Tod geht es im Regiedebüt der Berliner DFFB-Absolventin Sophie Heldman. In den Hauptrollen Bruno Ganz und Senta Berger – zum ersten Mal zusammen auf der Leinwand zu sehen
»Ich geh noch mal ins Büro«, sagt Fred (Bruno Ganz). Als Anita (Senta Berger) ihren Mann später beim Einkaufen in der Stadt vor sich auf der Straße laufen sieht, folgt sie ihm irritiert, bis sie in einer kleinen, leeren Wohnung steht, in der Renovierungsarbeiten laufen. Seit vielen Jahrzehnten sind Anita und Fred ein Paar, sie leben im Wohlstand harmonisch zusammen, in einem lichten Haus am Stadtrand, sie haben ein spürbar gutes Verhältnis zu ihren erwachsenen Kindern, alles scheint in Ordnung, doch plötzlich steht diese Wohnung zwischen ihnen. »Ich brauche einen Ort zum Nachdenken«, sagt Fred. Anita ist tief verletzt. Auch wenn keine Frau im Spiel ist, empfindet sie diese hinter ihrem Rücken getroffene Entscheidung als Verrat.
Für ihren DFFB-Abschlussfilm hat sich Sophie Heldmann ein ungewöhnliches Thema gesucht. Während Erstlingsfilme sonst meistens vom Erwachsenwerden erzählen, wendet sie sich dem Lebensabend zu. Statt sich stürmisch ins Leben zu stürzen, lotet sie ruhig und konzentriert, sehr nachdenklich, aber gar nicht schwermütig das Ende aus.
Liebe und Leben im Alter sind in den letzten Jahren immer stärker in den Fokus des Kinos geraten, und die Geschichten, die da erzählt werden, handeln längst nicht mehr nur von Depression und Gebrechlichkeit. Sie zeigen die ältere Generation nicht als Patienten und Opfer, sondern als selbstbestimmte Wesen. Dabei geht es nicht nur um das Recht auf Liebe und Abenteuer, dazu kann, wie in »Satte Farben vor Schwarz« auch die Entscheidung zum Freitod gehören. Die Inspiration für ihr Filmdebüt fand Sophie Heldmann in ihrer persönlichen Umgebung. Statt diese Geschichte einfach nachspielen zu lassen, hat sie Bruno Ganz und Senta Berger sozusagen darauf angesetzt, und wenn man die beiden hier zum ersten Mal zusammenspielen sieht, fragt man sich, warum bisher noch niemand auf die Idee gekommen ist.
Es geht um die ganz großen Fragen, um Alter und Krankheit, und darum, wie man sterben möchte, wobei die junge Regisseurin ihren Film mit abgeklärter Ruhe entfaltet. Die großen Themen schwingen mit, ohne jemals zerredet zu werden. Die Entscheidungen fallen in den Ellipsen des Erzählens; als Zuschauer wird man genauso vor vollendete Tatsachen gestellt wie Kinder und Enkel im Film. Das kann bisweilen sehr abrupt wirken, doch dabei entsteht auch ein Freiraum, den jeder Zuschauer mit den eigenen Gedanken auffüllen kann: Was tun, wenn die Krebsdiagnose kommt? Um jeden Preis einen kläglichen Lebensrest erkämpfen? Dabei zuschauen, wie die Farben blasser werden, wie das Leben entweicht? Oder bei klarem Verstand und satten Farben eine Entscheidung treffen, für einen Tod, der am Ende niemanden allein zurücklässt? Man mag bestürzt sein über die Radikalität der Entscheidung, doch durch ihre unsentimentale und elegante Art zu erzählen, zollt Sophie Heldmann diesem Paar auch unbedingten Respekt.
Kommentare
Filmkritk
Ich fand die Dialoge schwach, und kann die Entscheidung des Paares respektieren, aber nicht nachvollziehen. Ist es ihnen inmitten des harmonischen Wohlstands zu langweilig geworden? Haben sie kein Thema mehr?
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