Nützliche Idioten, heilige Narren

Politische Quereinsteiger im Film
Michael Shannon und Kevin Spacey in »Elvis & Nixon« (2016). © Universum Film

Michael Shannon und Kevin Spacey in »Elvis & Nixon« (2016). © Universum Film

Wie wäre es, wenn Politik von Laien gemacht würde? Schlimmer als unter Donald Trump kann es schließlich nicht kommen. Alexandra Seitz hat Filme gesichtet, in denen Außenseiter das Ruder übernehmen

Ein sterbender Fürst verfügt, dass sein Doppelgänger noch weitere drei Jahre lang den Anschein erwecken soll, es stünde in seinem Hause alles unverändert zum Besten. Ein Präsident begeht einen Fehltritt, der ihn die Wiederwahl kosten könnte, und der eiligst herbeigeorderte Spin-Doctor inszeniert gemeinsam mit einem Filmproduzenten als Ablenkungsmanöver einen Krieg mit Albanien. Ein Gärtner namens Chance wandert zufällig in das Schloss eines greisen Strippenziehers und steigt mit seinen Kalenderweisheiten binnen eines Tages zur politischen Lichtgestalt auf.

In Akira Kurosawas »Kagemusha« (1980) ist es ein zum Tode verurteilter Dieb, in Barry Levinsons »Wag the Dog« (1997) sind es Männer, deren Beruf Täuschung und Manipulation ist, und in Hal Ashbys »Being There« (Willkommen, Mr. Chance, 1979) ist es ein Naiver, der nicht lesen und nicht schreiben kann und auch ansonsten von nichts eine Ahnung hat . . . und allesamt finden sie sich unvermutet in einer Position der Macht. Mal müssen sie dort geschickt agieren, mal lediglich stillhalten, immer aber bringen sie, die Fachfremden, etwas zum Vorschein, das bis zu ihrem Auftreten verborgen und getarnt war. Der Doppelgänger lässt die Flügelkämpfe innerhalb des Fürstenhauses eskalieren; die Legitimation des Spin-Doctors reicht bis hin zum Mordauftrag; der Gärtner wird Erfüllungsgehilfe einer superreichen Kaste, die über die Entscheidungsträger im Land bestimmt.

Das Ehrenwerte und Gutgemeinte, das Amoralische und Böse, das Unschuldige und Kindliche – wie weit kommen sie im Reich der Macht? Was verraten die Leerstellen, in die die Außenseiter vordringen, über die Machthaber, die diese Leerstellen kurz zuvor noch füllten? Was verraten die Methoden der Außenseiter über die Konventionen, die durch sie herausgefordert werden? Wovon hängt die Macht ab? Und wie viel Unprofessionalität verträgt sie?

Sagen wir mal, sie kann einiges weg­stecken. Und es lässt sich mit ihr auch ungestraft allerhand respektloser Schabernack treiben. Beispielhaft unzimperlich packt die Komödie »King Ralph« (David S. Ward, 1991) die Sache an, in der gleich zu Beginn die gesamte Royal Family beim gemeinsamen Fototermin einem Stromschlag zum Opfer fällt. Die hektischen Nachforschungen der Hofgenealogen fördern einen einzigen überlebenden Spross eines Seitensprungs zutage: einen Loser namens Ralph, der in einem Nachtklub in Las Vegas Klavier spielt und Amerikaner ist. Ausgerechnet! Allerdings eröffnet Ralphs Einzug in den Buckingham Palace auch eine gute Gelegenheit, die Sache mit den abtrünnigen Kolonien ein für alle Mal zu bereinigen. Denn Ralph ist kein arroganter US-Boy, der seine Herkunftswelt automatisch für die bessere hält. Allerdings hat er ihr jenen zupackenden Pragmatismus zu verdanken, mit dem er zwar die gekrönten Häupter von Good Old Europe vor den Kopf stößt, der zugleich aber auch jenen entscheidenden Deal mit einem afrikanischen Monarchen gelingen lässt, der wiederum dem armen Norden Englands zurück auf die Beine hilft. Dass Ralph sich mit seiner Hinterzimmerpolitik kurzerhand über die Prinzipien der parlamentarischen Monarchie hinwegsetzt, soll hier nicht weiter irritieren, heiligt doch der Zweck die Mittel, wenn der Laie sich in Staatskunst übt.

Auf vergleichbare Weise geht auch Dave zu Werke, der sich in Ivan Reitmans gleichnamigem Film aus dem Jahr 1993 mir nichts dir nichts ins Oval Office versetzt sieht. In seinem wahren Leben leitet Dave Kovic eine kleine Agentur zur Arbeitsvermittlung und bessert seinen Verdienst mit Auftritten als Präsidenten-Lookalike auf. Als dann aber das Original ins Koma fällt, benötigt ihn das Vaterland. Behauptet jedenfalls der Chief of Staff, der den verwechselbaren Körper zum Mittel einer umfassenden Intrige macht, die ihn selbst ins Amt heben soll. So gerät Dave in verfassungsrechtlich höchst illegitime Umtriebe, die er zunächst nicht durchschaut, dann jedoch mit Hausverstand und Mutterwitz durchkreuzt. Nebenher rettet er Unterkünfte für Obdachlose, bringt das Land auf den Weg zur Vollbeschäftigung, stellt die moralische Integrität seines Vizes wieder her und erobert das hart gewordene Herz der First Lady. Man muss Politik nicht studieren, man muss lediglich das Herz am rechten Fleck haben und die Ärmel hochkrempeln.

Wenn es doch nur immer so einfach wäre – oder überhaupt gestattet. Denn kein geringer Teil der Ausübung der Macht erschöpft sich in reiner Repräsentation. Wie im Falle des erwähnten Kagemusha, dem Regisseur Kurosawa nicht einmal den Credit eines eigenen Namens zugesteht. Dafür wird am Beispiel dieses Schattenkriegers die Bedeutung des Begriffs »Symbolfigur« deutlich. Denn schon Fürst Shingen ist im Grunde bloßes Zeichen: Oberhaupt des Hauses Takeda, Kulminationspunkt und Funktionsträger – im Wortsinne. Sichtbar gemacht in jener Szene, in der er am Rande des Schlachtgetümmels auf einer Anhöhe auf seinem Schemel sitzt und das Banner des Fürsten hochhält; eine Scheibe an einem Stab, die auch als Fächer dienen könnte, deren Wedeln hier aber das Kriegsfeuer anfacht. Unbewegt und unerschütterlich wie ein Berg sitzt der Fürst, so wie alle dies von ihm erwarten. Nur ist es eben nicht der Fürst, der da sitzt, sondern Kagemusha, sein Schatten, der mit Entsetzen sieht, wie die Krieger, die einen Schutzwall um ihn bilden, einer nach dem anderen fallen – und wieder wird ihm etwas klar über die Verantwortung, die er trägt. Eine Verantwortung, derer sich auch Behelfspräsident Dave rasch gewahr wird, als er seinem Leibwächter Duane in der Küche sein Spezialsandwich zubereitet; Duane wird ihm zum Abschied mit den Worten »I would have taken a bullett for you« die ultimative Ehre erweisen. Nichts dergleichen für den schließlich vom Pferd des Fürsten enttarnten Kagemusha, der mit Schimpf vom Hof gejagt wird und dem, dessen Schatten er war, sein Selbst folgen lässt.

Wer mit der Macht ins Bett steigt, muss bereit sein, sich ihr zu opfern. Das bekommt auch Stanley Motss zu spüren, jener Hollywoodproduzent in »Wag the Dog«, der mal eben einen Krieg inszeniert, um einen präsidialen Fehltritt zu kaschieren. Motss' professionelle Eitelkeit siegt über seinen falsch verstandenen Patriotismus: Er will den Credit, und er will ihn unbedingt! Nur verkennt er dabei völlig die Länge seines Hebels. Man kann das durchaus verblendet nennen.

Oder ziemlich unbedarft. Es mangelt auf diesem Minenfeld denn auch nicht an Narren, die einfach losmarschieren, mal mit mal ohne Auftrag, dorthin »wo die Macht passiert«, wie das Hartmut Bitomsky einmal ausdrückte, und kurzerhand beginnen mitzumischen.

Sie können arm im Geiste sein wie »Chance, the Gardener«, bald bekannt als Chancey Gardiner, der seine vermeintliche Weisheit dem Fernsehen entnimmt beziehungsweise seinem gärtnerischen Tun verdankt. Auf die mächtigen Männer, denen er begegnet, wirkt der Naive wie »a breath of fresh air« – und die doppelbödige Rede, die jener nicht kennt, fügen diese von Außen hinzu, indem sie seine Sprüche metaphorisch interpretieren.

Dann gibt es Verblendete wie Elvis Presley, der eines schönen Tages an der Pforte des Weißen Hauses erscheint und den Amtierenden zu sprechen wünscht. Das Land sei in der Krise – Drogen! Hippies! Bürgerrechtsbewegung! – und er, Elvis, der berühmte Entertainer, könne helfen. Und zwar undercover, als »Federal Agent at Large« des »Bureau of Narcotics and Dangerous Drugs«. Wenn da mal nicht einer in den Fußstapfen von Gärtner Chance übers Wasser wandelt . . . Liza Johnson erzählt in »Elvis & Nixon« (2016) die weitestgehend erfundene Hintergrundgeschichte des berühmten Fotos aus dem Jahr 1970, das den Handschlag von Tricky Dick und dem King of Rock'n'Roll zeigt. Sie inszeniert die Begegnung als ein Gipfeltreffen zweier Tröpfe, die sich in ihrer überlebensgroßen Persona verkannt fühlen und hoffen, dass die des jeweils anderen auf sie abfärbt. So erträumt sich der Polit-Popanz »cool cat«-credibility vom Pop-Produkt, das sich umgekehrt etwas Seriosität ersehnt: Eine Hand wäscht die andere, zu sehen auf eben jenem Foto.

Keinesfalls fehlen in der Reihe gelockerter Schrauben darf der gefährliche Irre, als dessen Prototyp Brigadegeneral Jack D. Ripper gelten kann, den verschwörungstheoretische Überlegungen zu der Erkenntnis verleiten, Krieg sei zu wichtig, um ihn den Politikern zu überlassen. Also fackelt er nicht lange und zettelt einen an – und bringt damit Präsident Merkin Muffley (Peter Sellers) merklich in die Bredouille. Hoch komisch und tief gruselig zugleich ist, was Stanley Kubrick in »Dr. Strangelove or: How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb« (1964) aus derselben herauspräpariert: Wie sich verselbstständigende Waffensysteme die ausführenden politischen Organe zur Ohnmacht verurteilen. Dabei bewahrt Muffley immerhin noch kühlen Kopf und gibt sich auf der Suche nach einem Ausweg alle Mühe.

Was sich von Präsident Dale, der in Tim Burtons »Mars Attacks!« (1996) der titelgebenden Invasion gegenübersteht, nicht behaupten lässt. Nicht eben der Schnellste von Begriff und immer zuerst um sein Image besorgt, zeigt der zögerliche Dale, gespielt von Jack Nicholson, wenig Führungsqualität. Er beherrscht die Floskeln und die Gesten und die Mimik, ist jedoch nie so recht bei der Sache und lässt es daher an Überzeugungskraft mangeln. Fast ein Vierteljahrhundert alt ist Burtons Film, der von Kaugummibildchen der 1950er Jahre inspiriert wurde und allzu hohes Niveau weder anstrebt noch erreicht. Und doch wirkt er in seiner Darstellung von mehr um Außenwirkung und mediale Aufmerksamkeit denn um das Wohlergehen des Volkes besorgten Herrschenden beunruhigend gegenwärtig.

Wie zum Trost bringt im gleichen Jahr Roland Emmerich in »Independence Day« – in dem er das Weiße Haus zum ersten Mal in Schutt und Asche legt – einen in der Realität nach wie vor unerreichten Führungstypus in Stellung, der praktisches Talent und staatsmännische Autorität in sich vereint. Wenn Not am Mann, dann spuckt der Emmerich-Präsident in die Hände und packt selbst mit an. Egal, ob es gegen Aliens geht oder gegen Terroristen, wie in »White House Down« (2013) – der seine satten zwei Stunden Laufzeit darauf verwendet, den Filmtitel auf konkreter wie symbolischer Ebene detailreich ins Bild zu setzen. Der Emmerich-Präsident ist der vorbildliche First Citizen; niemand kann so gut Motivationsreden UND Fäuste schwingen wie er. 

»White House Down« (2013). © Sony Pictures

Und wenn alle Stricke reißen? Dann rettet Morgan Freeman uns die Welt! Freeman hat zwar gar nicht sooo viele weise und gütige Staatenlenker gespielt, wie immer alle denken, dafür aber jede Menge Autoritätspersonen, die Vertrauenswürdigkeit und Integrität selbst dann noch ausstrahlen, wenn sie weder das eine noch das andere sind. Mit dieser Art von Charisma bringt man es nicht nur in der Politik sehr weit, man bringt es sogar ganz nach oben. Kein Wunder also, dass Lokalreporter Bruce Nolan, als er mal wieder mit seinem Schicksal hadert, von einem schwarzen Herrn im weißen Anzug erhört wird: Wenn er, Bruce, glaube, den Job besser erledigen zu können, dann bitte, nur zu, er, Gott, habe sowieso längst Urlaub nötig. Da hat ER nun den Bock zum Gärtner gemacht. »Bruce Almighty« (Tom Shadyac, 2003) tritt in die Welt und demonstriert eindrücklich, was unqualifiziertes Personal auf qualifiziertem Posten so alles anrichten kann: Unfug, Unsinn, Unheil. Doch wandelt er auf diesem Pfade nicht allein . . .

Meinung zum Thema

Kommentare

Liebe Redaktion,
immer wieder gerne durchforste ich Eure Super Seite!!
Toll geschrieben!!
Danke,
M.Teutsch

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