Herr Zimmer, wir können nicht mehr!

Unsere "steile These" des Monats September
»Dunkirk« (2017). © Warner Bros. Pictures

»Dunkirk« (2017). © Warner Bros. Pictures

Hören Sie, Hans Zimmer, eigentlich selbst in die Filme rein, für die Sie die Musik komponieren? Sitzen Sie manchmal im Parkett und fühlen, wie sich Ihr Puls beschleunigt, wie die Nerven ausfransen? Mussten Sie auch schon mal in einer Kinokneipe zwei Gläser überteuerten Rotwein wegkippen, um die existenzielle Angst loszuwerden, die Ihre Action­arien und Todesfugen auslösen? Wie gerade in »Dunkirk«, der sich anhört, als hätten Sie die Geräusche eines Wehenschreibers, einer Zeitbombe und eines entgleisenden ICEs kombiniert.

Ich bin in meiner musikalischen Erziehung über Blockflöte nicht hinausgekommen und finde, wie Maurice Jarre, dass Filmmusik nicht unbedingt subtil sein muss. Vielleicht ist nicht mal »unoriginell« ein Killerkriterium. Aber mussten Sie im oscarnominierten »Gladiator«-Score ausgerechnet auf Siegfrieds Trauermarsch aus der »Götterdämmerung« zurückgreifen? Dann schon besser das von Penderecki geklaute Nebelhorn, mit dem Sie »Inception« den bedrohlichen Ton gegeben haben. Allerdings war Pendereckis 3. Sinfonie kein halbes Jahr zuvor von Martin Scorsese für »Shutter Island« verwendet worden – im Original und mit Bezugsquellennachweis. Oft recyclen Sie, Hans Zimmer, ja auch sich selbst. Nur wenn es einer mal besser macht, wie ihr Mitarbeiter Klaus Badelt, der aus einem randständigen »Gladiator«-Motiv den gänzlich unsubtilen, aber hübsch abenteuerlich-vitalen Score zu »Fluch der Karibik« entwickelte, ist Schluss mit lustig: Den nächsten Film der Serie haben Sie dann wieder eigenhändig zugesuppt.

Was immer Sie tun – es wird jedenfalls ein Ohrwurm draus. Ihre klagenden Frauengesänge haben uns durch die nuller Jahre begleitet, das sägend-insistente »Dark Knight«-Thema befiel wie ein Virus Actionfilme und Trailer. Komisch eigentlich, dass Sie nur einen Oscar – für »König der Löwen« – bekommen haben, obwohl Sie so oft nominiert werden. Irgendwer hat den »Inception«-Brummton einmal als »Gottesgeräusch« analysiert. Vielleicht ist es das: Ihr Werk ist einfach zu groß und zu mächtig für Normalsterbliche wie mich. Herr Zimmer, ich werfe mich in den Staub. Bitte nehmen Sie meine Kapitulation an.

Meinung zum Thema

Kommentare

Liebe Sabine Horst, Hans Zimmer klaut bei Badelt? Wenn Sie wissen wollen wer das eindringliche Thema zu Fluch der Karibik komponiert hat, hören sie mal in den Muppet Piratenfilm rein! Einer der ersten Hollywood Scores von Hans Zimmer.

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