Schleierhaft
Um es mit Inspektor Columbo zu sagen: Da gibt es etwas, das ich nicht verstehe, obwohl ich es sollte oder gar müsste. Offenbar entgeht hier etwas Entscheidendes meiner Wahrnehmung oder entzieht sich meiner Erfahrung. Das Rätsel, das mir aufgegeben wird, ist umso verdrießlicher, als ihr Urheber mich eigentlich herzlich wenig interessiert.
Aber der Verlauf seiner Karriere macht mich ratlos. Der erste Teil ist noch unkompliziert. In den »Harry Potter«-Filmen und dem »Twilight«-Franchise wird Robert Pattinson seine Sache bestimmt gut gemacht haben. (Ich hab' das nicht so aufmerksam verfolgt, aus Vampiren habe ich mir noch nie viel gemacht.). Er ist ein gutaussehender Bursche, und man kann sich vorstellen, weshalb er seinerzeit so viele Herzen auf und vor der Leinwand brach. Es ist sein Leben danach, das Fragen aufwirft: Warum nur wollen so viele Autorenfilmer mit diesem Untoten drehen? Aus seiner Perspektive lässt sich das womöglich leicht erklären: Auftritte bei David Cronenberg, Werner Herzog und Anton Corbijn mögen für den Schauspieler nach Ende der Blockbusterphase zwar einen finanziellen Abstieg bedeuten, aber im Gegenzug auch eine künstlerische Aufwertung, ein prestigeträchtiges Heranwachsen. Er betreibt das sehr ernsthaft – wie übrigens auch seine »Twilight«-Partnerin Kristen Stewart, die zwar noch einmal als Schneewittchen erfolgreich ins Fantasy-Genre zurückkehrte, aber ansonsten mit Regisseuren wie Olivier Assayas oder Walter Salles arbeitet.
In Stewarts Fall ist die Blässe nur eine Frage der Hautfarbe, bei Pattinson hingegen eine der Ausstrahlung. Mir erscheint er nur dumpf und brütend,als eine merkwürdig kantige Leerstelle. Mitunter umspielt ein verlegenes Lächeln seine Züge, als fragte er sich selbst, was er eigentlich vor einer Kamera zu suchen hat. Da ist es nachgerade eine Pflicht sich zu fragen, was diese Regisseure an ihm finden? Cronenberg hat ihn ja sogar zweimal besetzt. Dabei hätte ihn doch schon »Cosmopolis« entmutigen müssen. »Maps to the Stars« wird allerdings durch seine Präsenz weder besser noch schlechter; so tragend ist sein Part glücklicherweise nicht. Sein Auftritt als T.E.Lawrence wiederum ist eine vergnüglicheren Bizarrerien in Herzogs »Königin der Wüste«, dem man für eine Parodie halten müsste, wenn sein Regisseur nicht ein so ironiefremder Mensch wäre. Da auch James Franco mitspielt, wird die Wüsteneskapade doppelt ärgerlich, ein Gipfeltreffen der Ausdruckslosen. (Die Überschrift meines Eintrags habe ich übrigens bei einer Kritik des Films im aktuellen "tip" abgekupfert. Auf meinen Text passt sie sogar noch besser. Vielen Dank an die Redaktion für die unbeabsichtigte Hilfestellung.) In »Life« fragte ich mich nicht nur, weshalb Dennis Stock von dem unbekannten James Dean fasziniert war. Wie Pattinson ihn spielt, glaubt man nicht einmal, dass er fasziniert ist. Gerade dreht er mit James Gray und in der letzten Woche wurde bekannt, dass er im neuen Film von Claire Denis eine Hauptrolle spielen soll. Das brachte für mich das Fass zum Überlaufen.
Nun könnte man unterstellen, dass diese illustre Riege von Filmemachern ihn aus Gründen des Opportunismus besetzen will: Vielleicht lockt er ja ein Publikum ins Kino, dass sich ihre Filme sonst nie anschauen würde? Mittlerweile müsste sich jedoch herumgesprochen haben, dass er jenseits des Franchise-Ruhms kein zuverlässiger Gefühlswert an den Kinokassen mehr ist Man erinnere sich nur an »Bel-Ami«, für dem sich die Karten bei der Berlinale schneller verkauften als für jeden anderen Film. Als er dann ins Kino kam, blieb das Publikum in Scharen fort. Pattinson mag beim Vorsprechen für Rollen einen gewinnenden Ehrgeiz ausstrahlen. Ein befreundeter Kollege berichtete mir unlängst, er sei ein sehr sympathischer (Kunststück, das ist sein Beruf) und nachdenklicher (das vielleicht auch) Interviewpartner. Vermutlich lassen sich mit seinem Namen Investoren ködern und dieser zweite Karriereabschnitt beruht nur auf einem jener im Filmgeschäft weit verbreiteten Missverständnisse.
Natürlich kann es sich heute kein Filmemacher mehr erlauben, schlecht über seine Stars zu sprechen. Aber gerade las ich in einem Interview mit Anton Corbijn ein ziemlich vergiftetes Kompliment: »Robert ist jemand, der sehr früh viel Erfolg hatte (..), ohne besonders viel dafür tun zu müssen. Umso schwerer fällt es ihm jetzt, seine frühe Karriere hinter ihm zu lassen und zu beweisen, dass er tatsächlich ein guter Schauspieler ist.« In Corbijns Augen empfiehl er sich für die Rolle des Fotografen, weil dieser sich beweisen muss: »Diese Parallele fand ich interessant.« Das ist eine Entschlüsselung, ohne dass es vorher ein Geheimnis gab. Vielleicht aber ist meine Bestürzung über Claire Denis' Entscheidung einfach nur verfrüht. In ihrem ersten englischsprachigen Film soll er einen Astronauten spielen, der in eine Zukunft reist, die der Gegenwart sehr ähnlich ist. Womöglich kalkuliert sie mit dem Gefühl des Deplatziertseins, das den Zuschauer in Pasttinsons letzten Filmen beschlich. Andererseits hat die Regisseurin Fortüne bewiesen bei der Besetzung anderer dumpf brütender Darsteller, namentlich Gregoire Colin oder Vincent Gallo. Ihr Blick auf diese Männer war stets interessant. Sie erschienen stets als etwas mehr als bloße Projektionsflächen. Das macht die Magie ihres Kinos aus. Nur die könnte ihrem Hauptdarsteller helfen.
Kommentare
Kompliment
Hehe, "ein Gipfeltreffen der Ausdruckslosen" ist eine schöne Formulierung. Auch "In Stewarts Fall ist die Blässe nur eine Frage der Hautfarbe, bei Pattinson hingegen eine der Ausstrahlung" möchte ich beklatschen (ohne dass ich es inhaltlich so richtig beurteilen kann: Ich kenne nur einen Film mit Pattinson, Maps to the Stars). Ich muss Ihrem Kollegen allerdings Recht geben: In Interviews wirkt Pattinson sehr sympathisch und überzeugend. Das ist wahrscheinlich der Grund, warum er so viele Regisseure von sich überzeugen kann, auch wenn seine Leinwandpräsenz dann (vielleicht) zu wünschen übriglässt (kann ich wie gesagt nicht beurteilen).
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