Retrospektive: »Man Without a Star« (1955)
Eine hervorragende Gelegenheit, Kirk Douglas zu feiern! Er strotzt vor Charisma und rauem Charme in diesem Western, in dem Douglas als Cowboy Dempsey erstmal als Hobo unterm Güterwaggon zu sehen ist. Raubeinig geht er mit »Kid« Jeff um, den er hier trifft, ein Jüngelchen, ein Möchtegern-Cowboy, den Demps unter seine Fittiche nimmt.
Kirk Douglas ist eine Wucht, geht selbstsicher durch die Welt, ist unglaublich cool und nie um einen Spruch verlegen, und am liebsten ist es ihm, wenn andere ihm Stichwörter geben – oder auf seine Oneliner pingpongmäßig reagieren. Die »Hotelwirtin« in dem Kaff in Wyoming – wir wissen, was dieses Chiffre bedeutet – ist so ein Fall, auch einige der Cowboys auf der Triangle-Ranch sind gute Kameraden, vor allem Kid Jeff, dem Demps das Cowboy- und Mannsein beibringt; durch Learning by Doing. Muss sich mal prügeln, muss sich die Hörner abstoßen, muss schießen lernen.
Und wie witzig das inzeniert ist, mit welchem Spaß an dem Setting! Man stelle sich vor: Die Triangle-Ranch hat jetzt ein Klo innen, so wie die Leute im Osten, unglaublich – und ein großartiger Running Gag in der ersten Hälfte des Films. Dann taucht die neue Besitzerin der Ranch auf; die hat schon 10.000 Rinder, die kleineren Ranches der Umgebung höchstens 1.000, das reicht Reed Bowman aber nicht, sie will ja schließlich Profit machen aus ihrer Investition in die Ranch. Weitere 5.000 Rinder kommen aus Texas, übers Jahr sollen es 30.000 sein, die Parole lautet schließlich »Open Range«, offenes Weideland: Das Gras ist für alle da.
Nur ist es ohnehin schon knapp, über den Winter gibt’s viel Verlust an lifestock. Der Nachbar will daher Winterfutter anbauen. Dafür umzäunt er eine Wiese. Zaun. Stacheldraht! Das kann Demps gar nicht ab. Reed, die Chefin, ist sich sicher, dass ihrer Macht kein Zaun standhalten kann. Sie will ihre 30.000 Rinder überall weiden lassen, das Gleichgewicht in der Gegend ist ihr wurscht. Wenn dann das Gras weggefressen ist, in zwei, drei Jahren, dann zieht sie halt weiter.
Kann man sich eine treffendere Beschreibung des profitgierigen Heuschrecken-Kapitalismus vorstellen? So »neo«liberal ist das gar nicht, der Wilde Westen war das Muster. Stacheldraht und Aufgabe der Freiheit des Landes, oder Ausbeutung von Natur und Verdrängung der Kleinen? Für Demps ist klar: Das Land muss zaunfrei bleiben. Er macht sich unentbehrlich und fordert als Lohn – sie, die Chefin. Die ihm den Lohn gewährt: Geschäfte ist sie gewohnt. Geschäfte, die selbst die Hure der Westernstadt verachtet: Weils nicht mehr um Spaß geht, sondern um Macht.
Dempsey merkt allmählich was. Wechselt zur anderen Seite, als die Chefin Revolvermänner anheuert, Auftragsmörder, die die Zäune und alle, die an ihnen arbeiten, zerstören. Landnahme unter friedlichen Ranchern: Das ist ein viel schlimmeres Aufzwingen von Unfreiheit als Zäune.
»Mit stahlharter Faust« hieß der Film im deutschen Verleih: Das hat wahrscheinlich mit dem Ende zu tun, wo das obligatorische Pistolenduell zwischen den Rivalen aus Munitionsmangel ausfällt und die Fäuste herhalten müssen. »Man Without a Star«, der Originaltitel, bezieht sich auf den Stern, den man sich suchen muss, wenn man im weiten Grasland die Richtung nicht verlieren will – man muss aber den richtigen Stern aussuchen. Und der sollte nicht zwischendrin verblassen. Kirk Douglas als Dempsey ist ein Macher, einer, der immer weiß, was zu tun ist (außer im Schlafzimmer einer Lady, am Toilettentisch, wo Bürsten und Parfüm rumsteht – zum Glück sieht er dann im Spiegel eine Whiskyflasche, das ist sein Metier!); aber obwohl er stets handelt, wie es richtig und gut ist, weiß er auch, dass seine Philosophie des freien Umherwandelns auf den weiten Prärien vorbei ist. Er tut es trotzdem.
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