Liebe und Tränen
Philippe Garrels »Le sel des larmes« verspricht so vieles. In betörender Schönheit knistern die Schwarz-Weiß-Bilder von Kameramann Renato Berta über die Leinwand, auch inhaltlich flirtet der Film mit dem klassischen französischen Erzählkino. Die junge Liebe in Paris, Spaziergänge durch die Straßen, verheißungsvolle Blicke. Ein Hauch Nouvelle Vague.
»Le sel des larmes« ist all das, sicher. Die Geschichte: Der Provinzjunge Luc (Logann Antuofermo) kommt nach Paris, um sich als Kunsttischler an der Möbelbauerschule École Boulle zu bewerben. An der Bushaltestelle lernt er Djemila (Oulaya Amamra) kennen, die beiden kommen sich näher. Er geht zurück ins Dorf, wo er die alte Freundin Geneviève wieder trifft und die beiden gleich für ein Tête-à-Tête im Badezimmer verschwinden. Gebrochenes Herz in Paris, später dann gebrochenes Herz im Dorf, schließlich noch eine Dreiecksbeziehung in einer Einraumwohnung.
Soweit, so gut. Doch der Ärger überwiegt. Der kitschige Pianoscore, der gleich ab der ersten Einstellung einsetzt und den Film begleiten wird: geschenkt. Aber dieser Erzähler! Aus dem Off schält sich immer wieder eine allwissende Stimme in den Vordergrund und beschreibt Dinge, die die großartigen Bilder und die zwischenmenschlichen Schwingungen kurz darauf erzählen werden. Warum? Bei der Pressekonferenz erklärte Garrel, dass er mit dieser bewusst gesetzten Doppelung die Konzentration auf das Gezeigte verstärken wolle. Nur geht das nicht auf, vielmehr stellt sich die unnötige Redundanz in den Vordergrund.
Und irritierend ist auch, wie Garrel die weiblichen Körper, ja: Weiblichkeit überhaupt in Szene setzt. Die Frauen sind nackt, werden duschend durch Fenster gefilmt. Sie sind, gerade in der ersten Filmhälfte, dazu da, um gut auszusehen und die dem Schönling Verfallenen zu spielen. Unabhängig von Zeitgeistdingen ist es einfach wenig, was Garrel seinen Frauen zutraut. In der zweiten Hälfte kippt das Ungleichgewicht glücklicherweise etwas, als eine Dritte, selbstbewusste Frau die Bühne betritt.
»Le sel des larmes« ist ein Film über einen Narzissten, der alles andere als »sanft« ist, wie die unschuldige Djemila ihn zu Beginn beschreibt. Und gewiss: Das Kino braucht Arschlöcher, denn mit lauter netten Typen wird es schnell langweilig. Nur hat die Bühne, die Garrel seinem Egoisten bietet, gehörig Schieflage. Die eindrücklichste Beziehung des Films ist übrigens eine zwischen Männern, die zwischen Vater und Sohn.
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