Das Private ist politisch
Mottos konnte der scheidende Berlinale-Direktor Dieter Kosslick schon immer gut. In diesem Jahr steht mit »Das Private ist politisch« ein Spruch aus der 1968er Frauenbewegung über dem Wettbewerb und irgendwie auch über allem, schließlich ist die gesellschaftspolitische Verantwortung des Kinos ein Herzensthema Kosslicks.
Dass das Private viel mit dem (nackten) Körper zu tun hat, davon zeugt die diesjährige Perspektive Deutsches Kino. Da wird gevögelt und dem Hedonismus frohlockt, was das Zeug hält, ein mutiges und explizites Körper-Kino zelebriert. Gleich in dem Eröffnungsfilm »easy love« von Tamer Jandali geht es rund. Darin kämpfen sich sieben junge Männer und Frauen der »Generation Y« in Köln durch die Irrungen und Wirrungen der Liebe. Es gibt viel nackte Haut, ein ausgiebiges Gespräch während einer Intimrasur und unterschiedlichste Beziehungskonstellationen. Doch der »dokumentarische Spielfilm«, in dem die Protagonisten sich selbst spielen, kratzt nur an der Oberfläche und bleibt trivial. Die Erkenntnis: Es gibt keine einfache Liebe. Punkt.
Sehr politisch hingegen geht es in Renaud Barrets Dokumentarfilm »Système K« (Sektion Panorama Dokumente) zu. Mit inszenatorischer Finesse taucht Barret in die Kunstszene der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa ein und gibt verschiedenen Protagonisten eine Stimme. Mit ihren höchstpolitischen, teils extrem provokanten Performances, Bildern, Skulpturen und Interventionen kapern die Künstlerinnen und Künstler den öffentlichen Raum. Da entsteht ein Abbild des afrikanischen Kontinents aus geschmolzenem Plastikschrott oder eine aus Macheten geschweißte Hütte. Eine Künstlerin »malt« mit Feuer und zwischendurch streift der »Kongo Astronaute« mit seinem Selfmade-Raumanzug aus alten Staubsaugteilen durch die Straßen. Ästhetisch erinnert »Système K« an »Welcome to Sodom« und auch Barrets Film betreibt Mythenbildung. Kinshasa wird zum Sinnbild für ein durch Globalisierung befeuertes, marodes System, dem die Künstler ihre Werke und Körper entgegenhalten. »Bodys as means of Expressions« heißt es einmal treffend. Die Bilder jedenfalls brennen sich ein.
In Dan Sallitts »Fourteen« ist es ein oft abwesender Körper, der mehr oder weniger Gegenstand jeder Szene des zarten Dramas ist. Es geht um Mara (Tallie Medel) und Jo (Norma Kuhling), zwei völlig gegensätzliche Frauen, die seit der Schulzeit beste Freundinnen sind. Jo, klein, zurückhaltend und liebevoll, ist für die wilde, exzessivere Jo so etwas wie ein Anker. Sallitt erzählt seine Geschichte elliptisch und mit präziser Beiläufigkeit. In Momentaufnahmen, zwischen denen unbestimmt viel Zeit vergeht, beobachten wir aus Maras Sicht, wie sich die Freundschaft der Beiden über die Jahre wandelt. Die am Abgrund tanzende Jo bleibt dabei stets allgegenwärtig. Ihm sei es um einen Film gegangen, erklärte der Regisseur im Anschluss an das Screening, in dem eine Figur für das Innere (Mara) und eine für das Äußere (Jo) stehe. Das gelingt in »Fourteen«, auch dank der beiden fantastischen Darstellerinnen. Stilistisch lässt der Film an Noah Baumbach denken, auch wegen des nüchternen Humors.
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