Dokpreis der Berlinale: »Waldheims Walzer«
Schön, dass Ruth Beckermanns Waldheim-Film den Dokpreis der Berlinale gewonnen hat, auch wenn ich ihn ein paar anderen Filmen (vor allem Claire Simons wunderbaren »Premières Solitudes«) ebenso gegönnt hätte. Doch die Entscheidung für Beckermann ist aufs Lebenswerk gesehen auch preispolitisch gerecht, denn trotz ihres langen Engagements im österreichischen (vor allem) Dokumentarfilm wurde die Filmemacherin bisher mit Auszeichnungen nicht gerade verwöhnt. Und ja, man möchte auch dem Sujet und dem Hinweis auf die Kontinuitäten österreichischer Geschichte nicht nur in diesem Land viel Beachtung wünschen. Interessant ist auch, wie klug Beckermann filmisch damit umgeht, dass sie an den Waldheim-No-Kampagnen, die sie zeigt, selbst auch als Aktivistin beteiligt war.
War jetzt auf die letzten Tage endlich noch ein paar mal im Kino, für eben den »Waldheim Walzer« – und auch den Gewinner des Caligari-Preises, der von der Jury angeblich erst nach einem fast zwölfstündigen Nachtmarathon im Hotelzimmer ermittelt wurde. »La casa lobo« (Regie: Cristóbel León und Joaquín Cociña, Chile) sehr kunstvoll gemacht in verschiedensten Animationstechniken (und über fünf Jahren Produktionszeit!) und einer perfekt ausgearbeiteten raffinierten Tonmontage in Deutsch und einem stark deutsch geprägten Spanisch. Aber für meine nicht mehr ganz jungen Augen auch mit seiner permanenten Bewegtheit auf die 75 Minuten Dauer so ermüdend, dass ich es mir als Kurzfilm gewünscht hätte.
Was zusätzlich auffiel war der sorgsame gestaltete Auftritt vom ersten Bild bis zum Ende des ausgefeilt gestalteten Abspanns. Lobenswert, denn bei vielen anderen Filmen (mir fiel es besonders bei den deutschen Dokus auf) rauschen die Abspänne mittlerweile so enervierend schnell vorbei, dass ich gerne auf die Pausentaste drücken würde. Denn für mich ist es immer besonderer Genuss, nach einem gelungenen Film als kleines Extra entspannt die Liste an Beteiligten, Danksagungen und Musiktitel zu studieren, die dem Gesehenen einen plastischen Hintergrund geben. Bekanntermaßen ist die Hatz dem Fernsehen geschuldet, wo jede Sekunde in Euro zählt und man zusätzlich Angst hat, die Zuschauer könnten die paar gemächlichen Momente der Nicht-Action zum Umschalten nutzen. Doch die Missachtung des Abspanns ist auch eine Missachtung gegenüber den am Film Beteiligten. Und es müsste in digitalen Zeiten doch eigentlich technisch möglich sein, in der »Kopie« für ein Festival einzelne Abschnitte des Film langsamer abzuspielen als bei der TV-Versendung.
Es ist Sonntag und schon wieder Zeit für ein Resümee: Es war die sonnenreichste Berlinale, an die ich mich erinnern kann, was gut passte, weil es auch die war, wo ich so viel am (sonnigen) Schreibtisch saß wie noch nie. Es war auch die erste, wo ich (aus Zeitgründen, weil morgens meine Schreibzeit ist ) keinen einzigen Wettbewerbsfilm gesehen habe. Dafür aber einen anderen (Kroskes »SPK Komplex«) sogar zwei mal. Das hatte sich eigentlich aus sozialen Gründen so ergeben, zeigte aber auch, dass der Film solch intensivierte Beschäftigung gut tragen kann. Interessant auch die unterschiedlichen Publikumsreaktionen. Während in der Akademie sachlich diskutiert wurde, waren zur Vorführung im Delphi offensichtlich gezielt einige Querulanten gekommen, die mit vorgefertigten minutenlangen Statements über den Film herfielen und mit ihrer Aggressivität ein offenes Gespräch kaum noch möglich machten. Das kam sicher auch für den Filmemacher nicht ganz unerwartet, schließlich geht es um die Deutungshoheit über eine von vielen Anwesenden auch selbst erlebte und zusätzlich immer noch ideologisch aufgeladenen Geschichte. Vielleicht auch dies ein Grund, dass sich mit Kroske ausgerechnet ein Mensch mit DDR-Sozialisation an das Sujet wagte.
Vielleicht ist es eine gute Gelegenheit, zum Abschluss auf eine internationale Tagung zum wichtigen Thema »Antiziganismus und Film« hinzuweisen, die am 22. und 23. Februar parallel zur Berlinale in Berlin stattfand und so zumindest unter meinem Radar komplett durchging. Es ist zu hoffen, dass die Ergebnisse irgendwo schriftlich dokumentiert werden. Schon jetzt zur Verfügung steht aber der interessante Eröffnungsvortrag des Dokumentarfilmers Peter Nestler, den ich hier gerne teile.
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