Regisseurinnen und Ethnologiestudentinnen
Viele sind schon abgereist, am Potsdamer Platz ist es sonnig und leer. Gestern bei der Forums-Empfang Gespräche mit mehreren Kollegen über den neuen Film von Nikolaus Geyrhalter im Forum, deren Urteile von "sozialvoyeuristisch" bis "herausragend" reichten. Auf jeden Fall hat Geyrhalter sich von den visuellen Überwältigungsstrategien seiner letzten doch arg plakativen Stücke befreit. Was aber so wieder nicht stimmt, denn Über die Jahre ist als Langzeitbeobachtung parallel zu eben diesen Arbeiten über mehr als ein Jahrzehnt entstanden und widmet sich den Menschen aus Dörfern im österreichischen Waldviertel, die nach der Schließung einer Textilfabrik ihr Leben neu ordnen müssen. Schön, dass da endlich einmal Menschen auf der Leinwand sind, die kein bisschen mediengerecht scheinen, am Ende aber trotz einiger Eigenheiten kein bisschen grotesk rüberkommen. Schön auch ihre Verweigerung gegenüber dem Popanz Lohnarbeit.
Außerdem war vor ein paar Tagen die aktuelle Ausgabe des Filmbranchenblatts "black box" in meinem Briefkasten. Herausgeberin Ellen Wietstock ist eine von denen, die sich schon lange für größere Präsenz von Frauen in führenden Positionen der Filmwirtschaft eingesetzt hat und für die Kampagne der Pro-Quote-Aktivistinnen auch Zahlenmaterial aus ihrer Dokumentation laufender und geplanter Produktionen und Förderungen bereitgestellt hat. Auch in der neuen Ausgabe ist der Leitartikel dem Thema gewidmet, das es bei dieser Berlinale erfreulich erfolgreich in die öffentlicher Aufmerksamkeit geschafft hat - ganz gleich, ob man die Quote nun gut findet oder nicht. Ich kann mich noch erinnern, wie wir vor vielen Jahren für den mittlerweile aufgelösten Verband der FIlmarbeiterinnen Flugzettel mit der Frage "Haben Sie heute schon einen Film von einer Frau gesehen?" verteilt haben.
Gestern auch zwei Veranstaltungen zum Thema, die unterschiedlicher nicht hätten sein können:
Einmal das Treffen Internationaler Frauenfilmfestivals als energiegeladene und inspirierende Bestandaufnahme des Erreichten und gegenseitige Anspornung zum Weiterkämpfen. Das Treffen mündete in das anrührende Angebot der Regisseurin Amma Asante, die den für mehr Präsenz im Filmbusiness kämpfenden Frauen die spirituelle Schirmherrschaft der ghanischen Kriegerin Ya Asantewa anbot. Das zweite eine von Frédéric Jaeger eher mühselig moderierte Podiumsdiskussion mit französischen und deutschen Filmpraktikerinnen im Filmhaus, die auf ermüdende und uninformierte Weise wie ein Déja-Vu wieder fast beim Nullpunkt der Debatte anfing und zudem schlecht besetzt war - unter anderem mit Annekatrin Hendel (Anderson), die selbst zugab, nicht vorbereitet zu sein und mit dem Sujet eigentlich nichts am Hut zu haben. Die vom Regieverband erstellte Studie zum Thema hält sie für eine Geld- und Zeitverschwendung.
Zum Schluss eine kleine Anekdote von der ARD-sich-selbst-Feier-Stunde "Top of the Docs", wo Moderator Jörg Tadeusz vor den versammelten Truppen den bizarr ressentementgeladenen Gag losließ, dass Dokumentarfilmregisseuren vor allem begehrte Liebesobjekte bei westfälischen Ethnologiestudentinnen seien.
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