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Der Mai begann nun tatsächlich mit dem Streik der Drehbuchautorengilde in den USA. Aber der Vormonat klang mit einigen guten Nachrichten aus. Drei haben mich besonders gefreut. Zuallerst ist das natürlich die Kunde aus Teheran, dass Jafar Panahi seinen Pass zurückerhalten hat und das Reiseverbot für ihn aufgehoben wurde.

Seine Ehefrau postete ein Bild des reisenden Paares, das umgehend in Paris eine Tochter besuchen wollte. Meine zweite Reaktion nach der Erleichterung mag paradox wirken. Ich fragte mich: Aber er wird doch wohl wieder heimkehren nach Teheran? Auf einmal fühlte ich mich an meinen Philosophieunterricht erinnert, an die Doppeldeutigkeit der Freiheit: frei sein wovon oder frei sein wozu?

Über das gegen ihn verhängte Berufsverbot war erst einmal nichts zu erfahren in den Meldungen. Möglicherweise ist es nicht aufgehoben. Aber ich vermute, er will weiter im Iran drehen. Zur Not auch klandestin, das hat er im letzten Jahrzehnt ja als ein wahrer Souverän getan. Ich kann mir auch nicht wirklich vorstellen, dass er sich filmisch anderswo verankern will, wie es Abbas Kiarostami und Asghar Farhadi eindrucksvoll gelungen ist. Nicht, dass ihm dazu die Neugier oder Phantasie fehlen würden. Einer wie er hat von beidem genug. Wie sonst hätte er dem Verbot solche einfallsreichen Filme abgetrotzt? Aber ich glaube, sein Kino braucht dauerhaft jene Verwurzelung, die auch das Regime nie zu kappen vermochte.

In Paris wird Panahi sicher nicht nur sein Tochter gesehen haben. Bestimmt werden auch seine dortigen Unterstützer, Produzenten, Festivalleute etc., Anspruch auf seine Gegenwart erhoben haben. Vielleicht hatte er ja auch Zeit und Lust, ins Kino zu gehen. Dieses Vergnügen wird er im Hausarrest in Teheran gewiss vermisst haben. Wahrscheinlich hätte er sich dazu in eine der Schlangen einreihen müssen, die sich auf den Bürgersteigen vor den Pariser Kinos stets ausgenommen geduldig und zivisiert bilden. Denn die Kinos brummen wieder in Frankreich. Im April verzeichneten sie etwas über 19 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer. Das ist ein Rekord, denn diese Zahl ist nicht nur 37,8 Prozent höher als im Vorjahresmonat, sie übertrifft den Durchschnitt der Vor-Pandemiejahre 2017 bis 2019 um 2,7 Prozent. Das liegt wesentlich an den »Super Mario Bros« (wohl nicht Panahis erste Wahl), die in drei Wochen fünf Millionen Eintrittskarten verkauften. Aber auch der erste Teil der neuen »Drei Musketiere«-Saga erfüllt mit 2, 6 Millionen prächtig die in sie gesetzten Erwartungen. In den ersten vier Monaten insgesamt gelang den Kinos eine Steigerung um fast ein Drittel gegenüber dem Vorjahr, sie liegt allerdings noch 14 Prozent unter den Prä-Pandemie-Werten. Nach der relativen Enttäuschung, die Guillaume Canets neuer Asterix-Film letztlich darstellte (das Budget ist allerdings auch exorbitant und der Film selbst allem Vernehmen nach allerhöchstens mittelprächtig), geht es langsam, aber sicher aufwärts.

Bei einem der nächsten Abstecher nach Paris könnte Panahi womöglich auch wieder das Kino »La Clef« im Quartier Latin aufsuchen, das seit einigen Jahren um sein Weiterleben kämpft (siehe "Ein norddeutscher Programmhinweis" vom 8. 10. 2020). Der Verieinigung "La Clef Revival", die das Haus seit 2019 besetzt, ist es gelungen, eine notarielle Einigung über den Erwerb der Immobilie zu erzielen. Der Eigentümer, ein Verband von Sparkassen, hat sein ursprüngliches Verkaufsangebot von 4,2 Millionen Euro auf 2, 9 Millionen herabgesetzt. Um den erforderlichen Kredit aufnehmen zu können, fehlen dem Kollektiv allerdings noch 600000 Euro. Ein öffentlicher Spendenaufruf hat schon einen Teil eingebracht, zudem haben sich in der Filmbranche namhafte Mäzene gefunden, darunter Mathieu Amalric, Olivier Assayas, Robin Campillo, Leos Carax, Alain Cavalier, Agnès Jaoui und Martin Scorsese. Die Gesamtsumme ist am 26. Oktober fällig werden. Das französische Filmzentrum CNC begrüßt die Initiative, hier wieder ein echtes cinéma de quartier mit anspruchsvollem Programm entstehen zu lassen. Von staalicher Unterstützung oder Subventionen der Stadt Paris war bislang wohl noch nicht die Rede. Aber die Zivilgesellschaft springt in die Bresche. Da es ein bisschen viel Zahlen in diesem Eintrag gab, zum Abschluss also ein paar Worte über das Vorhaben: Es sollen nicht nur tägliche Filmvorführungen stattfinden, auch ein Café, Werkstätten für Filmbildung und ein Residenzstipendium für Drehbuchautoren sollen hier eine Heimatstatt finden. Die Wiedereröffnung ist für den Januar nächsten Jahres geplant.

 

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