Für besondere Fälle
Im Gegensatz zu den Helden von Howard Hawks bin ich ein Mensch, der Vorräte anlegt. Allerdings sehe ich die Szene aus »Only angels have wings« (SOS-Feuer an Bord) immer wieder gern, in der Cary Grant diese Hawkssche Lebenseinstellung für sich reklamiert.
In dem Dialog geht es, wie oft bei diesem Regisseur und seinem erfindungsreichen Drehbuchautor Jules Furthman, um Zigarettentabak. Gäbe es mehr Zigarrenraucher in Hawks' Filmen, würde die Frage der Vorratshaltung wahrscheinlich anders entschieden. Im Falle des Alltagsrequisits, auf das ich heute zu sprechen kommen möchte, paart sich mit der momentan gebotenen Bevorratung noch ein anderer Aspekt, der dieser streng genommen zuwiderläuft: Ich sammle gern Seife. Ich horte sie nicht. Von schönen Stücken trenne ich mich nur, wenn ich Besuch erwarte. Früher habe ich besondere Exemplare noch verschenkt, was inzwischen seltener vorkommt, weil dies von manchen Empfängern missverstanden wird.
Bei Hawks ist das auch ein Zeichen guten Willens. Robert Mitchum jedenfalls kann sich in "El Dorado" im Badezuber kaum noch retten vor Seifenstücken, die ihm alle Welt mitbringt. Die Hygiene und ihre Verweigerung sind ja notorisch ein Problem im Western; hier geht das Bad einher mit der Rehabilitation von Mitchums Figur. Was er danach mit dem Vorrat anfängt, interessiert den Film freilich nicht.
Seife hat kein Verfallsdatum; eine Händlerin versicherte mir, dass man eine gute auch Jahrzehnte nach dem Kauf noch benutzen kann. Mein Faible ist selbstverständlich auch dem Duft geschuldet. Lavendel ist ein Klassiker und Verbena bin ich immer noch nicht leid. Aber Form und Farbe sind mindestens ebenso wichtige Kriterien. Wenn Letztere jedoch zu sehr den beigemischten Fruchtaromen ähnelt, kann es heikel werden. Aprikose und Zitrusfrüchte sind extrem gefährlich, da möchte ich sofort reinbeißen. Zuweilen stößt man gar auf Kreationen, die so köstlich aussehen, als kämen sie frisch aus einer Patisserie. In Sachen Format bin ich undogmatisch. Das längliche, flache wäre im Gebrauch ohne Zweifel praktischer. Die alten, quadratischen Blöcke hingegen findet man jetzt eher selten. Sie wirken brüsk, aber sie vermitteln ein Gefühl von Ursprünglichkeit. Erst recht, wenn es sich um ein großes, ungeschlachtes Stück handelt.Das stellt beim Waschen eine haptische Herausforderung dar. Die würde geringer, je häufiger man sie benutzt. Aber ich bewahre sie lieber auf, um sie anzuschauen und in der Hand zu wiegen.
Ich glaube, diese Begeisterung fing vor dreizehn, vierzehn Jahren an, als ich zum ersten Mal in Marseille war. Die Stadt ist berühmt für ihre Siedereien. Die Savon de Marseille strahlt Handwerkerstolz aus. Sie hat Charakter, was vor allem am Olivenöl liegt, das übrigens im gesamten Mittelmeerraum als Zutat verwendet wird. In der Türkei gilt Olivenseife als Mittel gegen Haarausfall. Der Freund einer Freundin schwor darauf. Sie brachte aus Istanbul eine dunkelgrüne mit, die bei mir leider keine Wirkung zeigte.
Vor einiger Zeit fand ich in meinem Briefkasten die Karte eines Geschäftes in der Nachbarschaft, das neuen Kunden eine Probe Alepposeife als Begrüßungsgeschenk in Aussicht stellte. Die Händlerin erklärte mir, dass sie aus Lorbeer- und Olivenöl besteht. Ihre medizinische Wirkung wurde bereits vor 4500 Jahren gerühmt. Mithin ist sie die älteste bekannte Seife überhaupt. Das Geschäft bot auch prächtige Kelims, Damastdecken und Schals aus Syrien an, aber ich ließ es bei der Alepposeife bewenden. Ich besitze sie heute noch. Ihren Namen trug sie damals noch unbeschwerter. Ich bekam sie vor Ausbruch des Bürgerkriegs. Nun erzählt sie Geschichte. Der neue Besitzer hat eine Manufaktur gefunden, die sie nach wie vor nach altem Rezept herstellt.
Meine Sammlung ist klein, aber sie wird eben auch nicht kleiner. Wie aber lässt sich das Dilemma lösen, vor dem ich als Sammler eines Gegenstandes für den täglichen Gebrauch stehe? Natürlich will man kein unansehnliches Produkt von minderer Qualität an seine Haut lassen. Die zweite Wahl ist kein Ausweg und Seifenspender sind zu prosaisch. Da weiß Hawks wiederum Rat. "Production for use" lautet ein Schlüsselsatz in »His Girl Friday« (Sein Mädchen für besondere Fälle). Rosalind Russell meint ihn zwar sarkastisch. Aber ich habe sie verstanden: Ich kaufe immer zwei Seifen, eine davon fürs Waschbecken.
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