Netflix: »Squid Game« Staffel 2

»Squid Game« (Staffel 2, 2024). © No Ju-han / Netflix

© No Ju-han / Netflix

Geld oder Leben

Die südkoreanische Serie »Squid Game« ist den reinen Zahlen pro Staffel nach die erfolgreichste Netflix-Produktion überhaupt. Warum eigentlich? Ist diese Serie nicht nur eine zynische Provokation? Obdachlose in Seoul werden mit einem diabolischen Angebot geködert. Auf eine verborgene Insel verschleppt, nehmen gestrandete Seelen an einer Ausscheidung teil, die ihnen Reichtum verspricht, wahrscheinlich aber den Tod bringt.

Das vertrackte Spiel um Geld oder Leben mutete mit seinem infantilen Gestus wie die Neuauflage der ebenso nicht zynismusfreien Siebzigerjahre-Gameshow »Spiel ohne Grenzen« an, eskalierte aber bald in ein – bis dahin in populären Serien so nie gesehenes – Massaker. In Staffel 2 kehrt Seong Gi-hun, jener Spieler mit der Nummer 456, der als einziger Überlebender übrig blieb, zurück. Am erzielten Preisgeld, umgerechnet 33 Millionen Euro, vermag er sich nicht zu erfreuen. Das Blut der Umgekommenen klebt an diesem Reichtum.

Also will er diesen Gladiatorenkämpfen ein Ende bereiten. Seine Mitspieler sind diesmal markanter gezeichnet. Unter anderem ein drogenabhängiger Rapper, eine Schwangere und eine ältere Dame mit ihrem spielsüchtigen Sohn treten an. Eine mitfühlende Scharfschützin aus Nordkorea gewährt Einblicke hinter die Kulissen des seriellen Mordens, dessen Leichen nebenher noch für den Organhandel ausgeschlachtet werden: Warum also tut man sich so etwas an?

Die Grundsituation der Serie ist dabei durchdachter als die bloße Wiedergabe ahnen lässt. In einer Szene werden Obdachlose in Seoul vom Anwerber des »Squid Game« jeweils vor die Wahl gestellt, sich von einem Almosenbrötchen abspeisen zu lassen oder ein Los zu ziehen. Fast alle wählen Letzteres. Denn das Los, Vorstufe der Teilnahme am »Squid Game«, symbolisiert mit der Hoffnung auf Verbesserung der finanziellen Lage nicht nur einen Grundbaustein des Seelenlebens. Wahlmöglichkeit und Los repräsentieren in nuce auch ein Modell von Zusammenleben, das Menschen nicht auf einen von oben zugeteilten materiellen Bedarf reduziert.

Sehenswert ist die Serie, weil die völlig unterschiedlichen Teilnehmer von Runde zu Runde aus Vernunftgründen kooperieren müssen. So notwendig diese Strategie auch ist, so ambivalent erscheint sie zugleich. Denn der Jackpot – einzige Motivation der Teilnahme am gefährlichen Spiel – vergrößert sich ja einzig und allein durch das Ausscheiden möglichst vieler Mitspieler. Diese Konstellation entspricht einem vielfach beschriebenen spieltheoretischen Dilemma.

Die sieben neuen Folgen der im Dezember veröffentlichten zweiten Staffel sind dennoch ein wenig unbefriedigend. Zum einen weil die reichen Voyeure, für die das Morden ja exklusiv inszeniert wird, weiter im Hintergrund bleiben. Zum anderen weil das Ende allzu deutlich auf einen Cliffhanger hin inszeniert ist, der allenfalls in der zugesagten dritten Staffel aufgeklärt wird.

Trailer

Meinung zum Thema

Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns

Mit dieser Frage versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt