Netflix: »Ein neuer Sommer«

»Ein neuer Sommer« (Miniserie, 2024). © Netflix

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Mord in Splendid Isolation

Wer das Serienäquivalent zur »Strandlektüre« sucht, liegt mit »Ein neuer Sommer« jedenfalls nicht falsch. Schon die Romanvorlage, der gleichnamige Krimi der amerikanischen Autorin Elin Hildebrand, legt weniger Wert auf Originalität denn auf »äußere« Qualitäten wie den spektakulären Schauplatz, bei ihr üblicherweise die von prächtigen Strandanwesen geprägte, amerikanische Atlantikinsel Nantucket. Auch die von Susanne Bier inszenierte Netflix-Adaption hebt mit Drohnenflügen das Besondere dieser Location hervor: die flachen, weiten Strände, die holzverkleideten Villen mit ihren privaten Zugängen zum Meer und das generelle Gefühl von privilegierter Abgelegenheit.

Die Winburys gehören hier zu den »Einheimischen« im Sinne von: Das großartige Anwesen, auf dem sie sich versammeln, ist alter Familienbesitz. Erbe ist zwar Tag Winbury (Liev Schreiber), aber wie im Lauf der Serie deutlich wird, hält seine Frau Greer (Nicole Kidman) das Ganze mit ihrem als Bestsellerautorin verdienten Geld in Schuss. Tag und Greer haben drei Söhne; der älteste, Thomas (Jack Reynor), ist verheiratet mit der mittlerweile schwangeren Abby (Dakota Fanning), während der jüngste, Teenager Will (Sam Nivola), gerade über den letzten Herzschmerz hinwegkommen muss. Die Familie versammelt sich zum Nationalfeiertag Anfang Juli in Nantucket mit einem ganzen Schweif von Freunden und anderen Anhängseln, um die Hochzeit des mittleren Sohns Benji (Billy Howle) mit Amelia (Eve Hewson) zu feiern. Aber siehe da, am Morgen der geplanten Trauung findet die Braut ihre beste Freundin Merrit (Meghann Fahy) als Leiche am Strand wieder.

Es braucht weder den Einsatz von künstlicher Intelligenz noch viel Fantasie, um sich die grobe Struktur des nachfolgenden Plots vorstellen zu können: Die Ermittlungen übernimmt mit dem lokalen Polizeichef Dan (Michael Beach) und der von außen hinzustoßenden Nikki (Donna Lynne Champlin) ein launiges »odd couple«, das erst gegeneinander stichelt und sich dann anfreundet. Im Lauf der sechs Folgen fällt der Verdacht auf immer wieder neue Figuren, zuvorderst natürlich die Winburys selbst, während die entlarvten Motive dem harmonischen Familienporträt, das in der ersten Folge noch geschossen wird, lebhaft widersprechen.

Wie gesagt, originell ist das alles nicht. Meghann Fahy bringt als Darstellerin die Erinnerung an die ungleich bessere »Eat the Rich«-Serie »The White Lotus« mit, während Nicole Kidman gefühlt das zehnte Mal in Folge in die Rolle einer Frau mit viel Pech bei der Wahl des Ehegatten schlüpft. Aber in der Reihe der mehr auf Tempo und Spaß denn auf Charaktertiefe und Logik fokussierten »Whodunits« der letzten Zeit, von »Knives Out« bis »Bodies Bodies Bodies«, kann »Ein neuer Sommer« gut mithalten. Die Schauspieler, einschließlich einer herrlich chargierenden Isabelle Adjani, sind mit viel Selbstironie dabei, und die Auflösung am Ende, so viel sei verraten, ist zumindest keine Enttäuschung.

OV-Trailer

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