DVD-Tipp: Mario Bava – Horror Collection (1960-1972)

Rache an den Lebenden

Er begann als Kameramann und hat in vielen Genres gearbeitet, von denen einige sein visuelles Talent besonders herausforderten – es sind die Bilder seiner Filme, die im Gedächtnis bleiben, vor allem die Anfangsszene von »Die Stunde, wenn Dracula kommt«, in der eine junge Frau als Hexe zum Tode verurteilt wird. Eine Maske, auf der Innenseite mit metallenen Dornen besetzt, wird dabei mit einem Vorschlaghammer auf ihr Gesicht gepresst – eine Szene, die man nur schwer vergisst. 

Es dürfte Anfang der siebziger Jahre gewesen sein, als ich ihn (in der Gruselfilmreihe des NDR, »Monstren, Mumien, Mutationen«) erstmals sah, nachdem ich zuvor alle Lichter im Zimmer ausgeschaltet hatte. Das örtliche Programmkino bot glücklicherweise in den Nachmittagsvorstellungen am Wochenende zahlreiche Horrorfilme, darunter Bavas nachfolgende Arbeiten im Bereich des Gothic Horror, »Die drei Gesichter der Furcht« und »Die toten Augen des Dr. Dracula«. Die waren nicht mehr in Schwarz-Weiß, sondern in merkwürdig unwirklichen Farben gehalten, spielten in beengten Innenräumen oder auf Friedhöfen und erinnerten in ihrer Künstlichkeit an Roger Cormans Edgar-Allan-Poe-Verfilmungen. Die erste Episode von »Die drei Gesichter der Furcht«, »Das Telefon«, schlägt den Bogen zu einer zweiten Spielart des italienischen Genrefilms, dem Giallo, wenn die Klinge eines Küchenmessers für einen Moment das Licht reflektiert, bevor sie ihr mörderisches Werk vollbringt. Die Gialli, die Bava später drehte, kamen hierzulande gleich als Videopremieren heraus, Gelegenheit, sie auf der großen Leinwand zu sehen, hatte man selten.

Mario Bava begann wie gesagt als Kameramann, beeinflusst von seinem Vater Eugenio, einem Bildhauer, der auch für den Film als Tricktechniker arbeitete. Puppen und Skulpturen (teils von Eugenio gefertigt) spielen gewichtige Rollen in Bavas Filmen, sind oft Abbilder von Verstorbenen, die aus dem Totenreich zurückkommen, um an den Lebenden, die ihnen Gewalt angetan haben, oder deren Nachkommen späte Rache zu nehmen.

Fünf dieser Filme hat Plaion als »Horror Collection« versammelt, neben den drei Genannten noch die 1972/73 gedrehten »Baron Blood« und »Lisa und der Teufel«. Bava bevorzugte das Studio, aber in »Baron Blood« fand er in der österreichischen Burg Kreuzenstein einen idealen Drehort, mit einem extrem hohen Innenraum und der bei ihm so beliebten Wendeltreppe. Neben Trailern gibt es als Extras auf allen Scheiben einen Audiokommentar von Tim ­Lucas, Autor des über tausend Seiten starken Prachtbandes »Mario Bava. All the Colors of the Dark« (2007). Ihm hört man gern zu, wenn er in nüchternem Tonfall Szenenanalysen mit Hintergrundinformationen verknüpft. 

Mit Ausnahme von »Die toten Augen des Dr. Dracula« gibt es zu jedem Film die abweichende US-Kinofassung, die American International Pictures meist mit aufdringlicherer Musik von Les Baxter neu vertonte und veränderte. Immerhin kommt man so in den Genuss, in »Die drei Gesichter der Furcht« Boris Karloffs Stimme zu hören. Kurios ist die US-Fassung von »Lisa und der Teufel«. Da der Produzent damals keinen Verleih fand, wurde aus dem Film durch nachgedrehte Szenen »The House of Exorcism«: Die Protagonistin ist vom Teufel besessen und kann nur durch einen Exorzismus gerettet werden. Produzent Alfred Leone und Hauptdarstellerin Elke Sommer liefern in ihrem Audiokommentar zu dieser Fassung aufschlussreiche Informationen. 

Diese fünf Filme sind bei Plaion erst einzeln als »Collectors Edition« erschienen, inklusive Dokumentationen und Interviews, oft eigens erstellt, sowie mit einem Booklet eines deutschen Autors. Mittlerweile sind in dieser Form auch drei weitere Titel erhältlich: »Vampire gegen Herakles« (1961), »Planet der Vampire« (1965) und »Der Vampir von Notre Dame« (1958), bei dem Bava die Regie von Riccardo Freda übernahm. Zeit für eine Wiederentdeckung.


Mario Bava – Horror Collection IT 1960–1972. R: Mario Bava.Da: Antonio Cantafora, Telly Savalas, Joseph Cotten. Anbieter: Plaion.

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