RTL+: »Our Flag Means Death«
© RTL+
Der Pirat zählt zu den beliebtesten Helden der Filmgeschichte. Tatsächlich hätte man es eigentlich für ausgeschlossen gehalten, dass sich nach den unzähligen Abenteuerfilmen der 1930er und 1940er Jahre, unzähligen »Peter Pan«-Adaptionen, dem Fluch der Karibik-Franchise und zuletzt Serien wie Crossbones oder Black Sails überhaupt noch irgendetwas Neues über das Leben auf einem Freibeuterschiff erzählen lässt. Doch nun belehrt »Our Flag Means Death« von David Jenkins, bei der unübersehbar Taika Waititi seine kreativen Finger mit im Spiel hat, eines Besseren.
Im Zentrum steht ein gewisser Stede Bonnet (Rhys Darby), ein wohlhabender britischer Aristokrat aus Barbados, der im Zuge von Midlifekrise und Selbstfindung Frau und Kinder verlässt und sich den Traum vom eigenen Piratenschiff erfüllt. Stede versteht sich als Gentleman-Seeräuber: das Abenteuer reizt ihn. Umringt von anderen Männern über die Meere zu ziehen und qua Funktion gefürchtet zu werden, stellt er sich attraktiv vor. Gewaltsames Auftreten und Blutvergießen sind weniger seine Sache. Ganz zu schweigen davon, dass er auch auf hoher See auf gewohnten Komfort wie eine eigene Bibliothek oder einen Schrank voll feinster Stoffe nicht verzichten mag.
Stedes Vorstellung eines Piratenkapitäns beinhaltet unter anderem, dass er abends seiner Crew Geschichten vorliest. Doch viel Respekt verschafft ihm das nicht vonseiten der vermeintlich hartgesottenen Kerle, die ihren neuen Kapitän natürlich zunächst als weichen Softie verachten. Meuterei liegt in der Luft, doch dann kommt es zu einem Aufeinandertreffen mit dem gefürchteten Blackbeard (Taika Waititi) – und das Ganze nimmt schließlich eine vollkommen unerwartete Wendung.
Der augenzwinkernd von wahren Begebenheiten inspirierte Clash zwischen dem Helden und seinem ungewohnten Milieu dominiert in »Our Flag Means Death« die zehn Folgen umfassende erste Staffel (eine zweite ist bestellt). Rhys Darby (bekannt aus »Flight of the Concords« und »5 Zimmer, Küche, Sarg«) ist wunderbar als in Samt und Seide gehüllter Möchtegern-Draufgänger, in dem Entschlossenheit und Verunsicherung in eigenwilliger Mischung zusammenkommen.
Mindestens so sehr aber lebt die Serie natürlich von ihrer Menge an schrägen Figuren, unzähligen skurrilen Einfällen und natürlich dem erwartbaren Spiel mit altbekannten Piratenklischees. Immer wieder ist das herrlich komisch, zwischendurch auch eher was nur zum Schmunzeln. Doch eines ist »Our Flag Means Death« nie, nämlich plumper Machoquatsch. Im Gegenteil: von Folge zu Folge wird offensichtlicher, mit wie viel Wonne und Warmherzigkeit hier verschiedenste Männlichkeitsbilder und tradierte Genderrollen dekonstruiert und dann neu kalibriert zusammengesetzt werden. Und das macht diese Piratengeschichte nicht nur witzig, sondern so unerwartet frisch und queer wie wenig andere.
OV-Trailer
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns