Mediathek: »Box 21«
»Box 21« (Miniserie, 2020). © ZDF / Benjam Orre
Die vom ZDF eingekaufte schwedische Kriminalserie »Box 21« macht von vornherein den Eindruck eines Markenprodukts. Der Name der Marke: »Nordic Noir«. Für manche gleichbedeutend mit einem Gütesiegel. Darüber ließe sich streiten. »Box 21« beginnt, fast schon erwartbar, mit einem Vorgriff. Eine Anruferin meldet sich in der Stockholmer Notrufzentrale: »Ich hab' Geiseln genommen. (…) Im Krankenhaus. Im Leichenschauhaus.«
Ein Jahr zuvor, in der rumänischen Hauptstadt Bukarest. In einem Straßencafé, das aussieht, als sei es eigens für die Dreharbeiten aufgebaut worden, flirtet ein junger Mann mit der Bedienung Lidia und steht ihr bei, als sie ihren ausstehenden Lohn einfordert. Es geht schnell mit den beiden. Er kauft ihr ein Kleid, lotst sie abends an der Warteschlange vorbei in einen schicken Club, chauffiert sie im Kabrio durch halb Europa. Auf der Fähre nach Schweden zeigen sich dann seine wahren Absichten. Er überlässt sie ihrem neuen »Arbeitgeber«, der sie vergewaltigt und in Schweden zur Prostitution zwingt.
Diese gewichtige Thematik wurde – mit Konzessionen ans Genre, aber seriösem Approach – schon früher auf die Bildschirme gebracht, im preisgekrönten britischen Zweiteiler »Sex Traffic« (2004), verfasst von Abi Morgan (»The Hour«, »Shame«), und im kanadischen Vierteiler »Human Trafficking – Menschenhandel« (2005, mit Mira Sorvino und Donald Sutherland). In »Box 21« gibt es, wie in »Human Trafficking«, den charmanten, aber eiskalten Verführer, ebenso eine rumänische Kellnerin. Deren Martyrium wird verwoben mit dem Familiendrama des schwedischen Polizistenehepaars Ewert und Anni Grens.
Anni und ein Kollege kreuzen zufällig den Weg des gesuchten Mörders Jochum Lang. Bei der Personenkontrolle wird Anni von Lang mit Vorsatz überfahren. Sie überlebt schwer verletzt, verliert ihr ungeborenes Kind und wird zum Pflegefall. Lang kommt mit acht Monaten Haft davon. Der einzige Belastungszeuge wurde gekauft oder eingeschüchtert. Wie im Lehrbuch – schlag nach bei Mankell – vollzieht das Autorenteam die als »Nordic Noir« vermarktete nordische Kombination aus übermäßigen Grausamkeiten und vorgeblicher Zeitkritik. Nur ist der Gesellschaftsbezug schlicht Mittel zum Zweck: die Erzeugung wohlfeilen Nervenkitzels.
Die Autoren, die auf einen Roman des Erfolgsduos Anders Roslund und Börge Hellström († 2017) zurückgreifen, wie auch Regisseur Mani Maserrat nehmen sich wenig Zeit für Zwischentöne, zielen direkt auf den Affekt. Oft auf Kosten der Glaubwürdigkeit, wenn beispielsweise der Auftragsmörder Lang ohne erkennbaren Grund in Schlangenlinien über die Schnellstraße prescht. Ein Vertreter einer Berufssparte, bei der eigentlich Unauffälligkeit zur Geschäftsgrundlage gehört. Patzer gibt es auch bei den Details: Noch Monate nach ihrer Ankunft in Schweden trägt Lidia dasselbe Kleid wie auf der Fähre. Zwar gelingen dem dreiköpfigen Autorenstab einige originelle Momente, aber die versanden, wo alles gestellt, kalkuliert und unaufrichtig wirkt.
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