Kino on Demand: »Los Reyes«

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2018
Original-Titel: 
Los Reyes
Filmstart in Deutschland: 
08.07.2021
Heimkinostart: 
10.06.2021
L: 
75 Min
FSK: 
6
Daseinsfreude

Futbol und Chola leben in »Los Reyes«, einem Skatepark in Santiago de Chile. Sie sind die Lumpenkönige des überschaubaren Areals, in dem Teenager auf Rollbrettern mit Drogen Spaß haben und über ihre Eltern lästern. Der mit rebellisch-coolem Gestus geführte Diskurs der Heranwachsenden aber ficht die beiden Streunerhunde nicht an, sie machen ihr eigenes Ding. Und mitunter sieht es aus, als seien die Skater für Futbol und Chola nichts anderes als die Fortsetzung des Tennisballs mit anderen Mitteln: die einen wie die anderen hüpfen auf und ab und rollen kreuz und quer.

Futbol hinkt ein bisschen, und das Kupfer des Alters hat seinen schwarzen Pelz bereits großflächig ergriffen; Chola ist etwas jünger und immer dafür zu haben, alles zu verbellen, was den Weg durch ihr Hoheitsgebiet nimmt: Fahr- und Motorräder, andere Hunde, die berittene Polizei. Ihr Lieblingsspiel besteht darin, einen Ball an der Rampe der Skateanlage so zu balancieren, dass er gerade eben nicht über die Kante hinunterrollt; diese Übung erfordert einiges Geschick, und wie um Chola anzufeuern, bellt Futbol, begeistert neben ihr auf und ab springend, sein hohes, heiseres Altherrenbellen. Futbols bevorzugte Beschäftigung wiederum ist das Herumkauen auf Gegenständen. Sehr gern auch trägt er diese mit sich herum: Flaschen, Dosen, Zigarettenschachteln, mehr oder weniger große Steine. Daseinsfreude steckt in jeder Kleinigkeit, man kann das von diesen Hunden lernen.

Eigentlich hatten Bettina Perut und Iván Osnovikoff einen Dokumentarfilm über die Skater im Park drehen wollen, doch die reagierten auf die Kamera entweder befangen oder zu gekünstelt und zogen eine Show ab. Die Hunde hingegen, die in den Fokus gerieten, als das Projekt kurz vor dem Aus stand, kannten weder Kamerascheu noch divenhaftes Benehmen. Sie waren einfach da und machten ihr Ding.

Manchmal also werden zu den Beobachtungen des alltäglichen Treibens der beiden Hunde im Off die Gespräche der Skater hörbar, was mitunter den Eindruck erweckt, dieselben würden zuhören, womöglich gar verstehen. Man könnte dann versucht sein, das Hundeleben im Vordergrund als Metapher der noch ungefestigten Herumtreiber-Existenzen im Hintergrund zu sehen und den Müßiggang als gemeinsamen Nenner. Dem Zauber, den »Los Reyes« mit seiner unaufgeregten Betrachtungsweise entfaltet, wird diese Interpretation freilich nicht gerecht. Denn was ist es, was wir sehen, wenn die Kamera dem Hundepaar ganz nahekommt? Wenn sie die abgetretenen Pfoten und die welterfahrenen Gesichter in Großaufnahme zeigt, die heruntergeschliffenen Nägel, die abgekauten Zähne, die heraushängenden Zungen? Wenn das Vibrieren des Körpers des hechelnden Tiers in großer Hitze das Bild füllt, oder blinzelnde Augen und witternde Nasen? Es ist etwas eingefangen hier von der Existenz des wesensmäßig Anderen, gänzlich akzeptiert in seiner Fremdartigkeit, der Interpretation entzogen und dennoch respektiert. Ein Blick durchs Schlüsselloch in eine Welt anderer Wertigkeiten. Schlimm ist, wenn der Ball auf der anderen Seite des Zauns landet und nicht wiederkommt. Wirklich schlimm ist, wenn der Freund den Weg der Bälle geht.

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