DVD-Tipp: »Assassins«
Die beiden jungen Frauen wähnten sich die Ausführenden eines Streichs, sie dachten, ihre Aktion würde mit versteckter Kamera für einen YouTube-Clip aufgezeichnet oder Eingang finden in eine japanische TV-Sendung, in der Scherzvideos präsentiert werden. Schließlich weiß man, dass das dortige Fernsehen ein etwas eigenwilliges Humorverständnis pflegt. Dann aber war dieser dickliche, unrasierte Mann, dem die beiden von hinten kommend die Augen zugehalten hatten – »Überraschung!« –, plötzlich tot. Tot, weil die Hände der jungen Frauen nicht, wie sie dachten, mit Babyöl eingeschmiert waren, sondern mit dem schnell wirkenden tödlichen Nervengift VX. Und obendrein erwies sich das Opfer als Kim Jong-nam, im Exil lebender älterer Halbbruder des nordkoreanischen Diktators Kim Jong-un.
Es mag sich lesen wie die wahnwitzige Erfindung eines durchgeknallten Drehbuchautors, da aber bekanntlich nichts durchgeknallter ist als die Realität selbst, ist es wahr und hat sich zugetragen am 13. Februar 2017 auf dem Flughafen von Kuala Lumpur. Und während sich die nordkoreanischen Drahtzieher des Attentats verflüchtigten wie Kakerlaken, landeten die beiden Mädels zeitnah im Knast, wurden des Mordes angeklagt und sahen dem Tod durch den Strang entgegen; Malaysia versteht da keinen Spaß.
Dem Irrsinn der Ereignisse setzt Ryan White in seinem Dokumentarfilm »Assassins« die konsequente Sachlichkeit der Inszenierung entgegen. Mit dem traditionellen Mittel der Montage aus Interviews, Archiv- und Originalmaterial vollzieht er das Geschehen chronologisch nach; die Anmutung eines Krimis ergibt sich daraus ganz zwanglos, wird jedoch nicht unnötig betont. Da im Zentrum ohnehin die Erkenntnis jenes niederschmetternden Faktums steht, dass weder Leben noch moralische Integrität von Siti Aisyah aus Indonesien und Doan Thi Huong aus Vietnam im Kontext geopolitischer Machinationen etwas wert waren. Ihre armseligen Träume von der Internetberühmtheit wurden ihnen zum Verhängnis, und unschuldig schuldig geworden mögen sie zwar der Todesstrafe entkommen sein, Werkzeuge eines Mordkomplotts aber bleiben sie für den Rest ihres Lebens.
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