Serien-Tipp: »The Terror«
»The Terror« (2018). © AMC/Amazon
Der Titel »The Terror« führt zunächst in die Irre. Geht es doch um ein nautisches Spezialthema, die Suche nach der Nordwestpassage, dem Seeweg nördlich des amerikanischen Kontinents vom atlantischen in den pazifischen Ozean, mithin den für die Briten seinerzeit so wichtigen kurzen Seeweg von Europa nach Indien. Für das Kino griff King Vidor das Thema schon 1940 in Nordwest-Passage auf. Später setzte Sten Nadolny dem Polarforscher John Franklin, dessen Expedition bei dieser Suche verschollen ist, mit seinem Roman »Die Entdeckung der Langsamkeit« ein literarisches Denkmal. In der Buchvorlage des Genreautors Dan Simmons, auf dem die von Ridley Scotts Firma für AMC produzierte Serie basiert, ist Franklin (Ciarán Hinds) kein Held. Als dünkelhafter Kapitän verursacht er durch eine Fehlentscheidung eine allmähliche Katastrophe.
Die Serie trägt den Namen eines der beiden Schiffe, mit denen Franklin und seine 130-Mann-Besatzung 1845 aufbrachen – und dessen Wrack erst 2016 gefunden wurde. Das Scheitern dieser Mission ist Geschichte. Deshalb zielt jede Minute dieser zehnteiligen Serie nicht auf das Was, sondern auf das Wie des tragischen Misserfolgs ab. Langsame Kamerafahrten machen die arktische Atmosphäre auf den im Nirgendwo festgefrorenen Schiffen sinnlich spürbar. Zunächst spielen die Männer noch Fußball auf dem Eis, in einer zerklüfteten Landschaft, die an Gemälde von Caspar David Friedrich erinnert.
Nach und nach beginnt aber eine Zersetzung auf allen Ebenen. Da werden erfrorene Glieder amputiert, bleihaltige Konserven führen zur schleichenden Vergiftung. Der körperliche Verfall koinzidiert mit einer moralischen Auflösung. Während Franzis Crozier (Jared Harris), der nach Franklins Tod zum Helden avanciert, die Besatzung durch einen Fußmarsch retten will, zettelt der kriminelle Emporkömmling Hickey (Adam Nagaitis) eine Meuterei an, auf deren Höhepunkt die Männer zu Kannibalen werden. Selten wurde dieser Zivilisationsbruch so beklemmend präzise erzählt.
Neben der darstellerischen Intensität legt die Serie den Akzent auf die Beschwörung der aussichtslosen Umstände. »The Terror« beginnt als Requiem und steigert sich zu einer düsteren Agonie. Zwei dramaturgische Fehlentscheidungen schmälern leider den Reiz der Geschichte. Rückblenden in die Zeit vor der Expedition, in denen die Seemänner einer Theateraufführung beiwohnen, zerstören die klaustrophobische Atmosphäre auf den Schiffen. Kontraproduktiv ist ebenso das Auftauchen eines blutrünstigen CGI-Fabelwesens. Trotzdem ist hier eine fesselnde Abenteuerserie gelungen, in der Themen wie psychische Störungen und Homosexualität angerissen werden – und eine fremde Kultur wie die der Inuits ernst genommen wird. Spannung entsteht, weil man sich nicht vorzustellen vermag, dass es noch schlimmer kommen kann, dann aber jedes Mal eines Besseren belehrt wird. Hier kann man selbst im Sommer nur mit dicker Strickjacke zusehen.
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