Film des Monats April »Eine neue Freundin«
»Rechtes Auge – rechte Hand. Linkes Auge – linke Hand.« Claire erklärt ihrem Freund David, wie man Wimperntusche zielgenau aufträgt. Denn David orientiert sich gerade neu. Nach dem tragisch frühen Tod seiner Frau Laura hat er zunächst nur versucht, der kleinen Tochter die Mutter zu ersetzen – in Lauras Kleidern, mit Perücke und Schminke. Bald zeigt sich aber, dass mehr dahintersteckt. Als Frau fühlt David sich außerordentlich wohl; offenbar lebt er einen unterdrückten Teil seiner Persönlichkeit aus. Auch Claire hat etwas zu verarbeiten. Laura war ihre beste Freundin seit Kindertagen, eigentlich so etwas wie die Liebe ihres Lebens. Während Claire Davids Wandlung zur femme begleitet und gelegentlich befeuert – auf Shopping-Trips oder im Queer-Club –, beginnt sie, sich Fragen zu ihrer eigenen Sexualität und ihrer Ehe mit dem sehr männlichen, sehr heterosexuellen Gilles zu stellen.
Genderforscher und Sexualwissenschaftler gehen heute davon aus, dass es »x« Sexualitäten und verschiedene, auch fließende Ausprägungen von Geschlecht gibt. Auf diesem Hintergrund entfalten sich die Beziehungs- und Selbstfindungsgeschichten in Eine neue Freundin. Der Autorenfilmer François Ozon inszeniert sie kontrolliert als Mischung aus Drama und Komödie, angesiedelt in einem gehobenen, bürgerlich-aufgeklärten Milieu. Ein Setting, das es erlaubt, die Konflikte der Protagonisten entspannt und sogar ein wenig ironisch zu betrachten: An das Geschlecht und die sexuelle Orientierung sind in den westlichen Ländern schließlich immer auch Konsum- und Lifestyle-Optionen geknüpft. Dennoch begleitet Ozon die Wandlungs- und Entwicklungsprozesse der Figuren mit Sympathie und Zärtlichkeit. Sein Film findet im scheinbar Exotischen das Verwandte, im Alltäglichen verborgenes Begehren, und immer wieder Wege, die aus der »Normalität« ins Offene führen: ein verspieltes, intelligentes Plädoyer für Gelassenheit und Mut angesichts des sexual- und familienpolitischen Umbruchs, den wir seit einigen Jahrzehnten erleben.
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