Diven und Kämpferinnen

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»Katharine Hepburn«

Einen Oscar zu bekommen gleicht einem Ritterschlag, den Titel »Oscar-gewinner« führen die Ausgezeichneten fortan obligatorisch vor ihrem Namen. Doch das war nicht immer so; in ihren Anfängen war die Oscarverleihung eine intime Veranstaltung für rund 250 Academy-Mitglieder, in deren Verlauf die Namen vergleichsweise schlicht verkündet wurden. Kein Vergleich mit dem Superereignis, das die Oscarzeremonie heute darstellt, mit einer Milliarde Zuschauern weltweit und einem Spekulations- und Berichterstattungsvorlauf von mehreren Monaten.

So lassen sich viele verschiedene Geschichten erzählen, wenn man die 73 zum Teil mehrfachen Oscargewinnerinnen in Fotos, Plakaten, Filmausschnitten, Kostüm­entwürfen, Radio– und Fernsehberichten Revue passieren lässt, wie es jetzt die Ausstellung »Best Actress« im Berliner Museum für Film und Fernsehen tut. Die Kuratoren Daniela Sannwald und Nils Warnecke haben eine Turiner Ausstellung übernommen und mit Schätzen aus den eigenen Beständen und internationalen Sammlungen erweitert. Und so wie es typisch ist für die Ausstellungen im Museum für Film und Fernsehen, legen sie eine Fülle von Verbindungslinien zwischen Film-, Medien-, Mode- und Gesellschaftsgeschichte. Sie brechen die reine Chronologie von 1923 bis 2015 mit thematischen Schlaglichtern auf und fragen beispielsweise: Was sind das eigentlich für Rollen, die bevorzugt mit dem Oscar ausgezeichnet werden? Eine ganze Reihe der Hauptdarstellerinnen spielte Stars aus dem Showbusiness, von Luise Rainer, der einzigen Deutschen unter den Oscardiven, als Revuestar in »Der große Ziegfeld«, bis zu Marion Cotillard als Edith Piaf in »La Môme«. Dominierten viele Jahre lang Opferrollen, so gaben sich die Frauen zunehmend kämpferischer, ob sich Jane Fonda in »Coming Home« gegen den Krieg engagiert, Julia Roberts in »Erin Brockovich« gegen industrielle Umweltverseuchung oder Susan Sarandon in »Dead Man Walking« gegen die Todesstrafe. So lässt sich auch die Geschichte der Emanzipation an den Oscarrollen ablesen, mit der zunehmenden Eroberung der Arbeitswelt bis in die politische Macht hinein, mit Helen Mirren als »The Queen« und Meryl Streep als Margaret Thatcher in »Iron Lady«. In jüngster Zeit fanden die Kuratoren viele Krankheitsbilder, wie zuletzt Julianne Moore als Alzheimer-Patientin in »Still Alice«.

Generell wurde der himmlisch weltfremde Kinoglamour des klassischen Hollywood zunehmend von einer ganz irdischen Realität verdrängt, gut abzulesen an den zum Teil originalen, zum Teil von »Theaterkunst« nachgeschneiderten Kostümen: Das 80 Jahre alte, rot funkelnde Kleid, das Luise Rainer in »Der große Ziegfeld« trug, oder das mit Federn und Pailletten bestickte dunkelrote Samtkleid, das Charlotte Flemming für Vivien Leigh in »Vom Winde verweht« entwarf, haben wenig mit der Realität der Depressionsjahre zu tun. Dagegen erzählen der schlichte weiße Schwesternkittel, den Louise Fletcher in der Psychiatrie von »Einer flog übers Kuckucksnest« trug, oder die raue Polizeiuniform von Frances McDormand in Fargo ganz reale Alltagsgeschichten. Glamour findet heute vor allem auf dem roten Teppich statt, wo die Diven früher wiederum vergleichsweise schlicht gekleidet waren.  So könnte der Kontrast kaum größer sein zwischen der Rolle, die Charlize Theron in »Monster« spielte, und ihrem Auftritt bei der Oscarverleihung: hier die verwahrloste Serienkillerin, schwer und plump in unförmigen Billigjeans, mit aufgedunsenen Zügen,  verschwollenen Augen, einer unförmigen Zahnprothese und strohigen Haaren, dort der anmutige Star im tief ausgeschnittenen glitzernden Abendkleid von Gucci. Glänzten früher vor allem die grandiosen Filmroben, die etwa Givenchy für Audrey Hepburn schneiderte, so reißen sich Modeschöpfer wie Armani oder Valentino im modernen Medienzeitalter darum, Galakleider für Stars zu schneidern, die vor einem Milliardenpublikum als begehrte Werbeträger defilieren und ihre Kleider längst nicht mehr selbst bezahlen müssen.

Deutsche Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen, bis 1.5.2016

 

 

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