Audrey Hepburn – Die ewige Prinzessin
»Audrey Hepburn«
Zwar wurde sie schon früh in ihrer Karriere mit einem Oscar geehrt – für ihre Rolle in »Roman Holiday« (1953). Doch hielt Audrey Hepburn sich selbst nicht einmal für eine richtige Schauspielerin. Michelle Pfeiffer, Meryl Streep und Cher verstünden viel mehr von diesem Beruf, sagte sie in einem Fernsehinterview mit Larry King. Billy Wilder aber, der mit ihr »Sabrina« (1954) und »Love in the Afternoon« (1957) gedreht hatte, hielt sie für zu bescheiden. Hepburn habe »so ungezwungen, so einfach, so leicht« gespielt, erinnerte Wilder sich: »Jeder auf dem Set verliebte sich in sie.« Nach ihrem Tod 1993 hatte niemand, auch nicht der Ex-Ehemann Mel Ferrer, ein kritisches Wort über sie zu sagen. Die Rolle der Prinzessin in »Roman Holiday« begleitete Hepburn, Tochter einer holländischen Baroness, in mancher Hinsicht ihr Leben lang.
Man muss schon sehr genau hinhören in Selbstzeugnissen und Dokumentationen, um Andeutungen von Charakterzügen wahrzunehmen, mit denen ihre perfekte Persona und aristokratische Erscheinung – unfehlbarer Geschmack, Charme und große emotionale Tiefe und Warmherzigkeit – ergänzt und abgerundet werden, die sie menschlich machen. Da gab es, wie sie selbst sagte, viel Unsicherheit; ihr letzter Lebenspartner erinnerte sich an ihre Melancholie; ein Fotograf kritisierte ihren stählernen Ehrgeiz. Doch Hepburn gehörte zu den raren Stars, die kaum Identifikationsflächen – für Normalsterbliche – boten. Man musste zu ihr aufsehen.
Auch die Ausstellung in der Londoner National Portrait Gallery stellt sie auf ein Podest. Nicht, dass ihr schon so oft besungenes Lächeln, das von Fotos herunterstrahlt, an Zauberhaftigkeit eingebüßt hätte. Aber gibt es nicht mehr über diese Frau zu sagen?
Einige Aspekte kommen da durchaus zur Sprache. Die Faszination, die Hepburn immer noch ausübt, als Filmstar und als Trendsetterin in der Mode. Ihre schwierige Kriegskindheit in den Niederlanden, wo sie die deutsche Besatzung und im Winter 1944/45 die große Hungersnot in den Niederlanden miterlebte, ihre ersten Schritte ins Rampenlicht, als Ballerina. Ein Paar Ballettschuhe aus den 40er Jahren sind die einzigen dreidimensionalen Memorabilia dieser ganz auf die Fotografie konzentrierten Ausstellung. Erfreulicherweise wird auch der humanitäre Einsatz dieser kultivierten und hochintelligenten Frau an einer ganzen Museumswand gewürdigt. Da sieht man sie, gegen Ende ihres Lebens bis kurz vor ihrem Tod auf vielen Reisen, die sie von 1988 als Sonderbotschafterin von Unicef, des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen, oft unter großen Anstrengungen unternahm und sagte: »I don’t believe in collective guilt, but I do believe in collective responsibility.«
Die Londoner Fotoausstellung entstand in enger Zusammenarbeit mit ihren Söhnen Sean und Luca, die eine Reihe von Fotos aus ihrem Privatarchiv zur Verfügung stellten: doch privat ist in Wirklichkeit keines der hier gezeigten Bilder; bei jeder Aufnahme war sich die Fotografierte der Kamera sehr bewusst. Offenbar war Audrey Hepburn auch für ihre Familie das, was sie für die ganze Welt war: eine Ikone, deren Image dem einer Heiligen sehr nah war. Ihre Ausstrahlung hatte, wie der »Spiegel« anlässlich ihres Todes 1993 schrieb, schon immer etwas Transzendentes. Die Aufnahmen von Star-Fotografen wie Richard Avedon, Philippe Halsman, Irving Penn, Cecil Beaton und Norman Parkinson bestätigen das. Auf jedem Foto ist sie betörend, zart und makellos schön. Manchmal ist sie mit süßen kleinen Tieren zu sehen, die doppelte Beschützerinstinkte auslösen; ihrem Yorkshireterrier oder einem zahmen Reh, das sie sich eine Zeit lang als Haustier hielt. Viele der Fotos sind weltbekannt, all dies ist nicht neu, ebenso wie die Feier dieses Stars nach bekanntem Muster. Die Ausstellung in der National Portrait Gallery hält nichts Überraschendes bereit, sie schaut kaum je hinter die Kulissen, und sie strebt auch nicht nach einer auch nur leicht an der Oberfläche kratzenden Betrachtung des Star-Phänomens am Beispiel dieser Frau. Mag sein, dass sich bei Hepburn die Aspekte ihrer öffentlichen Persona, der Filmfiguren und der Privatperson in kaum mehr differenzierbarer Weise übereinander legten – oder gelegt wurden. Vielleicht liegt darin der Grund für das undurchdringlich Kunstwerkhafte ihrer Präsentation. Noch im Geschenke-Shop zur Ausstellung wird der Mythos Hepburn, der Film und Leben zu einen scheint, fortgeschrieben. Ihr Zitat »Everything I learned, I learned from the movies« prangt dort auf Untersetzern, Taschen und Kühlschrankmagneten.
Immerhin geht die Schau – wenn auch etwas alibihaft und sehr kursorisch – das Thema der Transformation der Frauenrolle im Verlauf der 50er und 60er Jahre an. Aber weiß man das nicht alles schon: Vom unschuldigen Mädchentyp in den 50er Jahren habe sich Audrey Hepburn in den 60er Jahren an selbstbewusstere Figuren gewagt – von der Prinzessin in »Roman Holiday« zum Party-Girl Holly Golightly in »Breakfast at Tiffany’s« (1961) – eine Rolle, die der Film noch deutlich entschärfte. Audrey Hepburn liebte »Breakfast« besonders, auch wenn Truman Capote, auf dessen Roman er basierte, ursprünglich Marilyn Monroe dafür im Kopf hatte. Als Mitte, Ende der 60er Jahre die wirklich wilden Mädchen wie Charlotte Rampling, Jeanne Moreau und Julie Christie ins Scheinwerferlicht traten, war Audrey Hepburns Stern schon im Sinken.
Wie sehr die Schauspielerin an der Konstruktion ihres eigenen Images beteiligt war, klingt in der Londoner Ausstellung allenfalls anhand ihrer kreativen und freundschaftlichen Beziehung zu Hubert de Givenchy an – sie lernten sich bei der Produktion von »Sabrina« kennen, Givenchy entwarf die Kostüme. Audrey Hepburns schmale Figur, die der Fusion von Film und Mode ganz neue Perspektiven eröffnete, war neu: sie läutete den Abschied vom kurvenreichen Sexidol der 50er Jahre ein. Givenchy fand in Hepburn seine Muse, Hepburn entdeckte in dem Franzosen, dessen elegante Kleider den diskreten Charme der Bourgeoisie ausstrahlten, den idealen Schneider – im Film, für öffentliche Auftritte, im Privatleben. Sie fühle sich, sagte sie in einem Interview, in und von seinen Kleidern »beschützt«. Immer wieder betonte Audrey Hepburn, die von der eigenen Schönheit wenig überzeugt war, wie wichtig ihr Filmkostüme seien. Ihren Wandel vom Blumenmädchen zur Dame im langen weißen (von Cecil Beaton entworfenen) Kleid in »My Fair Lady« kommentierte sie so: „Ich musste nur die Treppe hinuntergehen. Das Kleid machte die Vorgabe.« Auch ihre Frisuren waren stilbildend: Die aus Krieg und Frieden (1956) machte als »Natasha«-Cut Mode, und 1966 kreierte der Pariser Friseur Alexandre den »Coupe Infante ›66‹« für sie, der in William Wylers »How to Steal a Million« um die Welt ging.
Der Film »Two for the Road« (1967) von Stanley Donen markierte einen weiteren Imagewechsel: in dem nicht chronologisch erzählten Ehedrama nahm Hepburn endgültig Abschied von der Mädchenhaftigkeit; damit ging ein Wechsel der Designer einher, die Minirock-Pionierin Mary Quant, die ein Teil der Kostüme entwarf, war dichter am Puls der Zeit. Bis dahin waren euphorische Anfänge von Liebesgeschichten Hepburns Spezialität gewesen – das kam ihrer Strahlkraft besonders entgegen. In »Two for the Road« – an der Seite von Albert Finney – aber geht es um eine Ehe, in der es gewaltig kriselt. Das Publikum schien weniger beeindruckt von der neuen Audrey, die sich durchs emotionale Dickicht einer weniger romantischen Wirklichkeit schlägt. So ist es vielleicht kaum erstaunlich, dass das Jahr 1967 den Anfang ihres langen Fernbleibens vom Film markiert. Hepburn mochte die Zeichen der Zeit richtig gelesen haben. Sie zog sich weitgehend aus dem Filmgeschäft zurück und wirkte später nur noch an vereinzelten Projekten mit. Ihre letzte Rolle war die eines Engels in Steven Spielbergs Film »Always« (1989). Ihm verlieh sie noch einmal das Strahlen, das nicht von dieser Welt zu sein schien.
National Portrait Gallery, London. Bis 18. Oktober
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