Kritik zu Banklady
Basierend auf Gerichtsakten und Tagebüchern rekapituliert Christian Alvart (»Antikörper«) ein Stück bundesdeutscher Kriminalgeschichte: Gisela und Herrmann als Bonnie and Clyde der deutschen Sparkassen
Im Vergleich zu den bizarren, um nicht zu sagen, kranken Serienmördern in »Antikörper« sind die Verbrecher, um die es im neuen Film von Christian Alvart geht, geradezu charmant und rührend. Wenn wir Gisela Werler (Nadeshda Brennicke) zum ersten Mal begegnen, ist sie ein graubraunes Mauerblümchen im biederen Blüschen mit bravem, braunem Kurzhaarschnitt, eine Hamburger Tapetenfabrikarbeiterin, die von ihren Eltern gedrängt wird, dem verklemmt kleinkarierten Werben ihres Arbeitskollegen Uwe (Andreas Schmidt) nachzugeben. Doch ganz tief in ihrem Innern flackert noch ein kleines Lichtlein, das sich nicht ganz ersticken lässt, ein Fünkchen Hoffnung auf ein anderes, im engen Nachkriegsdeutschland unerreichbar scheinendes Leben. Als Uwe seinen großspurigen Freund Hermann (Charly Hübner) anschleppt und sie dann auch noch Wind bekommt von den Bankeinbrüchen, mit denen die beiden ihre mageren Einkünfte aufbessern, zündet dieses Fünkchen. Entschlossen betreibt sie eine Emanzipation der besonderen Art, aus der artigen Fabrikarbeiterin wird die erste Bankräuberin der Bundesrepublik, aus der grauen Maus ein schillernder Vamp in engen, leuchtend roten und gelben Etuikleidern und Kostümen, in Stöckelschuhen, Sonnenbrille und blonder Perücke.
Nadeshda Brennicke, die schon in »Antikörper« mit Alvart zusammengearbeitet und die Verfilmung dieses deutschen True-Crime-Stückes angeregt hat, beherrscht das Spiel mit Realität und Pose. So werden Gisela und Hermann im Duo zur deutschen Version von Bonnie and Clyde, das heißt, alles ist ein bisschen kleiner und deutscher als im Kino und in Amerika. Auf amüsante Weise lässt Alvart, der das Terrain zuvor im Hamburger »Tatort« sondierte, seinen Film zwischen der spießigen Enge des Landes und den hochfliegenden Träumen vom Capri-Urlaub oszillieren, zwischen wahrem Verbrechen in den biederen Betonarchitekturen von Sparkassen und den lässigen Attitüden des Kinos. So wie sich John Dillinger in »Public Enemies«ta in den FBI-Büroräumen über den Stand der Ermittlungen informiert, beschafft sich auch die Banklady Gisela im Polizeipräsidium wertvolle Informationen und eine Tatwaffe.
Mitte der 60er Jahre herrscht noch eine Zeit der Unschuld im Verbrechen wie in seiner Bekämpfung, eine Zeit, in der es in den Banken noch keine Alarmanlagen und in den Banksafes noch keine Zeitschaltungen gab und auch ausgeklügelte engmaschige Fahndungsmethoden von dem ein wenig verbissen anmutenden Kommissar Fischer (Ken Duken) erst entwickelt werden mussten. Ein Hauch von Wildem Westen umweht diese Banküberfälle an der Frontier der modernen Verbrechensbekämpfung, an der es gilt, die letzten Freiheiten auszunutzen. Insgesamt 19 Überfälle haben sie in zweieinhalb Jahren durchgezogen, Hermann Wittorff wird zu dreizehneinhalb und die »Banklady« zu neuneinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, weil sie glaubhaft machen kann, dass sie aus Liebe zu ihrem Freund gehandelt hat.
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