Film des Monats September »Mord in Pacot«
Am 12. Januar 2010 erschüttert ein schreckliches Erdbeben mit 250 000 Opfern und über einer Million Obdachlosen Haiti. Auch das Nobelviertel Pacot in Port-au-Prince ist ein einziges Trümmerfeld. Dort lebt ein ehemals gut situiertes Paar, das mit ungewohnten Bedingungen zurechtkommen muss. Ihr Adoptivkind ist in den Trümmern verschwunden, die Villa ist vom Abriss bedroht, Wasser gibt es nur noch aus dem nicht ganz leergelaufenen Swimmingpool, die Bediensteten sind nicht mehr da. Der Anbau ist noch bewohnbar. In diesen zieht der aus Europa stammende Katastrophenhelfer Alex mit seiner haitianischen Freundin Andrémise ein, die sich jetzt Jennifer nennt. In den nächsten neun Tagen wird das ganze Ausmaß der Erschütterung sichtbar: Die bisherigen Beziehungen zwischen Armen und Reichen, Männern und Frauen sowie zwischen Helfern und Opfern stehen auf dem Prüfstand. Andrémise provoziert alle mit ihrer Direktheit und legt die unausgesprochenen Spannungen offen.
Nach »Tödliche Hilfe«, der sich dokumentarisch mit dem Erdbeben auf Haiti und der ambivalenten Rolle der internationalen Hilfsorganisationen auseinandersetzt, hat Raoul Peck jetzt einen Spielfilm über die emotionalen, sozialen und moralischen Folgen der Katastrophe gedreht. Das Paar ohne Namen steht symbolisch für eine Welt, die vor einem Neuanfang steht. In provokanten Dialogen oder im Schweigen zwischen den Akteuren werden jedoch auch die Kräfte erkennbar, die Kolonialismus und Diktatur hinterlassen haben. In der Montage der Szenen wie in der präzisen Darstellung der Charaktere wird ständig der Konflikt zwischen dem selbstbewussten Streben nach Selbstbestimmung und sozialer Gerechtigkeit einerseits, der Restauration des Vergangenen andererseits spürbar. So wird der Film zur Parabel auf eine Gesellschaft, die nach den Schrecken politischer Gewalt und einer verheerenden Naturkatastrophe vor der Entscheidung zwischen resignativer Ohnmacht und den Chancen für eine bessere Zukunft steht.
Start am 17. September
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