Kritik zu Der Glanz des Tages
Tizza Covi und Rainer Frimmel haben im Mix aus Wahrheit und Fiktion ihr eigenes Filmgenre kreiert: Zirkusartist Walter Saabel glänzt als Selbstdarsteller – und bekam dafür jüngst in Locarno den Darstellerpreis
Den ganz großen Namen hat das Regieduo Tizza Covi und Rainer Frimmel sich beim breiten Publikum noch nicht gemacht. Doch in der Filmgemeinde haben sie einen beachtlichen Ruf, wurden doch alle bisherigen vier Filme auf wichtigen Festivals präsentiert und haben dort Preise eingeheimst. »La Pivellina« war 2010 von Österreich für den Auslands-Oscar nominiert. Und für Zuschauer, die ebenso unaufgeregte wie unangepasste Filme lieben, bietet ihr Werk jede Menge Glücksmomente. Dabei knüpfen die beiden Spielfilme »La Pivellina« (2009) und jetzt »Der Glanz des Tages« fast seriell an den Dokumentarfilm »Babooska« (2005) an, für den die beiden Filmemacher eine italienische Zirkusfamilie auf Tour begleiteten. Denn Familienmitglied Walter Saabel taucht dann ein paar Jahre später im Spielfilm »La Pivellina« in einer der beiden Hauptrollen wieder auf.
In »La Pivellina« spielte Saabel mehr oder weniger sich selbst. Auch »Der Glanz des Tages« mischt Wahrheit und Fiktion brillant und lässt Saabel erneut als Selbstdarsteller glänzen: ein alternder Zirkusartist und ehemaliger Bärenkämpfer mit mutigem Herzen und genug Eitelkeit, sich vor dem Ausgehen das lichte Haar zurechtzulegen. Nur einen Neffen hat man ihm für den Film angedichtet: den Schauspieler Philipp Hochmair, wiederum – nicht wirklich überraschend – von dem Schauspieler Philipp Hochmair verkörpert, als zwischen Wohnsitzen in Wien (Burgtheater) und Hamburg (Thalia-Theater) hin- und hersausenden Hochleistungsakteur, dem der Adrenalinschub des abendlichen Auftritts Lebensnerv ist. Nach allem, was sich von Hochmair erfahren lässt, dürften Darsteller und Rollenbild auch hier nicht weit auseinander liegen.
Eines Tages steht Walter in Hamburg bei seinem Neffen vor der Haustür, um den Kontakt zum verstrittenen Bruder wiederaufzunehmen. Der sperrt sich. Doch Philipp selbst lässt Onkel Walter in sein hektisches Leben. Rampensäue sind beide, wenn auch auf unterschiedlichem Terrain. Und auch sonst haben sie sich bei allen Unterschieden einiges zu sagen. So werden bald zwischen Familienangelegenheiten und Darstellertipps auch die unterschiedlichen Lebenskonzepte zweier Generationen verhandelt. Und dann gibt es noch Victor, den moldawischen Nachbarn, der den Haushalt mit zwei kleinen Kindern alleine schmeißen muss, weil seine Ehefrau nach einem Heimatbesuch nicht wieder einreisen darf. Doch der Zirkusmann hat eine Idee.
»Der Glanz des Tages« ist ein melancholischer, oft auch erheiternder Film um unser vergängliches Leben und die Versuche, damit etwas Sinnvolles anzufangen. Dabei zeigen die Filmemacher einmal mehr, dass es im Kino auf glaubwürdige Figuren und eine Erzählidee ankommt, die in sich stimmt. Ohne dass Großes geschieht, ereignet sich jede Menge, man muss nur hinschauen. Dabei ist das, was so einfach aussieht, mit größter Raffinesse gemacht: besonders schön und befriedigend ist dabei die Nonchalance, mit der die Filmemacher uns immer wieder mit konventionellen Plotideen antäuschen, um kurz später augenzwinkernd einen Haken zu schlagen und in eine ganz andere Richtung weiterzulaufen.
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