Kritik zu Yossi
Eytan Fox hat ein Sequel zu seinem Publikums- und Festivalerfolg »Yossi & Jagger« aus dem Jahr 2002 gedreht, das die Entwicklung seiner traurigen Titelfigur zehn Jahre später aufnimmt
Es ist fast eine Überraschung, wenn ein einsamer männlicher Held, der die längste Zeit des Films damit verbringt, die Menschen in seiner Umgebung zu beobachten, sich am Ende nicht als psychopathischer Killer herausstellt. Obwohl man sich zwischendurch durchaus einen Ausbruch wünscht für den Mittdrei- ßiger Yossi, der sein Leben ganz im Passiv verbringt: Als Klinikarzt lässt er sich zur Schicht von der Krankenschwester wecken, später von seinem Vorgesetzten daran erinnern, dass er mal Urlaub nehmen soll, und nur vom puren Zufall dazu verleiten, eine langgekappte Verbindung zur Vergangenheit wieder aufzunehmen. Letzteres klingt nach Abenteuer, stellt sich aber dann als recht verzweifelter Versuch heraus, endlich etwas zum Abschluss zu bringen, was in Yossi seit zehn Jahren schwelt.
2002, vor zehn Jahren, feierte der israelische Regisseur Eytan Fox mit seinem Film »Yossi & Jagger« über die Liebe zweier junger Männer im Armeedienst an der israelisch-libanesischen Grenze einen großen Erfolg. Am Ende des Films muss Yossi, damals schon gespielt von Ohad Knoller, tragischen Abschied nehmen von »Jagger«. Von den ersten Bildern des aktuellen Films an ist klar, dass Yossi das mit dem sterbenden Geliebten gefasste Vorhaben, endlich gemeinsam in Offenheit zu leben, für sich nie umgesetzt hat. Schnell wird auch deutlich, welchen Preis er dafür bezahlt: Auf der Arbeit kann er niemanden näher an sich heranlassen, weder den Kollegen, der ihn gerne als wing man für weibliche Eroberungen am Abend einsetzen würde, noch die nette Schwester, die sich Hoffnungen macht, weil sie in ihm eine in Einsamkeit verwandte Seele vermutet. Für den Online-Dating-Markt fühlt der mit den Jahren etwas auseinandergegangene Yossi sich nicht attraktiv genug – und als er es mit einem älteren Foto doch versucht, erlebt er eine Demütigung. Bei alledem scheint sich Yossi in seinem einsamen inneren Exil gut eingerichtet zu haben, ganz so als bildeten die depressiven Gefühle auch so etwas wie einen willkommenen Schutzschild gegen die Realität, die ihn überfordert. Der Schauspieler Ohad Knoller bringt diesen trotzig-traurigen Seelenzustand mit feiner Sensibilität auf den Punkt, man fühlt mit seiner Figur mit und sieht doch gleichzeitig die Überdosis Selsbtmitleid am Werk.
In der zweiten Hälfte des Films – nach einer verlegen-verstörenden Begegnung mit den Eltern Jaggers – schickt Fox seinen melancholischen Helden schließlich doch noch auf die Reise. Unterwegs macht er die Bekanntschaft von vier jungen Armeesoldaten, die ein paar Tage Strandurlaub einlegen wollen und als launige, laute Meute erstaunlicherweise einen kameradschaftlichen Zugang zu dem verschlossenen Mann finden. Es ist fast schmerzlich, mit anzusehen, wie Yossi in der Freundschaft zu einem von ihnen langsam, ganz langsam sein selbst gewähltes Schneckenhaus verlässt. Und wie gesagt, man ist fast überrascht, dass es weder ein gewaltsames noch ein tragisches Ende gibt.
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