Kritik zu Der Butler
Das epische Biopic eines scheinbar am Rande der Historie stehenden Mannes: Am Beispiel des farbigen Butlers Cecil Gaines entwirft Lee Daniels eine Geschichte der USA aus der Perspektive der schwarzen Bevölkerung
Lee Daniels’ Der Butler ist ein melodramatischer Film, manchmal sehr sentimental, manchmal beinahe bizarr erscheinend, voller Figuren, die liebevoll gezeichnet sind, aber doch auch grotesk wirken können. Dies gilt sogar für die Hauptfigur, für den Butler Cecil Gaines, den Forest Whitaker, basierend auf einem wahren Vorbild, beeindruckend spielt. Whitakers von der Maske verstärkter Gesichtsausdruck, vor allem sein hängendes Augenlid, bestimmt von den ersten Momenten an, in denen er sich an seine grausame Jugend erinnert, den Eindruck des Films. Ein versehrter Mann wird in Whitakers Körperlichkeit und Make-up vielleicht allzu deutlich, ein Mann, der die Ungerechtigkeit, die ihm wegen seiner Hautfarbe widerfahren ist, verinnerlicht hat. Seine Zurückhaltung und seine Anständigkeit bergen in sich auch Zorn und Trotz. Er ist so etwas wie Onkel Tom als Rebell. Dass er seltsam grotesk wirkt in einem gewagten Mix aus Hollywood-Emotionalität und fast Brecht’scher Verfremdung, ist auch der Tatsache geschuldet, dass er nicht nur als Paradebeispiel von erlebter Geschichte auftritt, sondern alle Last des Laufs der Zeiten zu tragen scheint.
Lee Daniels ist ein schwer einzuschätzender, aber beachtenswerter Filmemacher. Von ihm stammen der Oscar-Hit Precious, aber auch der unterschätzte Shadowboxer, ein vielschichtiger Kriminal- und Liebesfilm gegen alle Erwartungen. Der Butler nun ist gewiss konventionell erzählt, aber in mancher Hinsicht erschüttert er doch die Erwartungen der Zuschauer. Daniels unternimmt die Herkules- Aufgabe, eine Geschichte der USA in den letzten 80 Jahren aus der Sicht der Schwarzen zu präsentieren. Ein Epos ohne Zweifel, aber bei aller bitteren Ernsthaftigkeit mit der Lockerheit des Black Cinema und einer erstaunlichen Coolness im Umgang mit der Präsidentengeschichte inszeniert, manchmal sogar an einen B-Film oder ein TV-Movie erinnernd, öfter an eine große Soap-Opera.
Im Grunde ist Der Butler eine komplexe Verknüpfung von Familiengeschichten, die zur Geschichte des Landes werden. Es beginnt wie ein dreckiges Vom Winde verweht. Der kleine Cecil muss auf einer Baumwollplantage in den Südstaaten, wo immer noch Zustände herrschen wie in Zeiten der Sklaverei, mit ansehen, wie seine Mutter vergewaltigt und sein Vater erschossen wird. Der Junge wird daraufhin von der Mutter des Mörders aufgenommen. Zum ersten Mal beobachtet er gleichsam von unten eine verdrehte, in diesem Fall schuldige weiße Herrscherfamilie. Bald macht er Karriere als Diener, Kellner und Butler – als einer, der infolge seiner Hautfarbe unsichtbar bleiben muss bei seiner Servicearbeit. Cecil schafft es an die Spitze seines Berufs: Er wird als Butler im Jahre 1957 ins Weiße Haus berufen, wo er knapp 30 Jahre arbeiten wird. Dort wird er zum Beobachter von sieben Präsidenten, von sieben ersten Familien.
Regisseur Daniels und Drehbuchautor Danny Strong gelingt hier ein besonderer dramaturgischer Kniff: Aus der Perspektive des Butlers betrachtet, werden den Machthabern nur tragikomische, ironisch verfremdete Gastauftritte eingeräumt, im Film und gewissermaßen auch in der Geschichte der USA. Robin Williams gibt einen gemütlichen Eisenhower, Liev Schreiber gewinnt Lyndon B. Johnson sympathische Züge ab, James Marsden verkörpert einen eher schwachen, jungenhaften Kennedy, ein großartiger John Cusack agiert als undurchsichtiger Nixon jenseits von Gut und Böse, Alan Rickman und Jane Fonda schließlich sind ganz einfach die Reagans. Nur Gerald Ford und Jimmy Carter bleiben bezeichnenderweise ohne Darsteller und werden übersprungen.
Während Cecil im Weißen Haus arbeitet, gründet er selbst eine Familie. Seine Frau Gloria wird von TV-Superstar Oprah Winfrey gespielt, ein Besetzungscoup. Aus persönlichen Gründen, aber auch weil Cecil in der großen Familie des Weißen Hauses tätig ist, das sie nicht betreten darf, bekommt Gloria ernste Schwierigkeiten. Sie verfällt immer wieder dem Alkohol und ist versucht, Cecil zu betrügen. Oprah Winfrey ist vielleicht die melodramatischste Figur des Films: eine beinahe Zerrissene, ehrlich und echt, schlampig und großartig, eine First Lady im Schatten. Zwei Söhne haben Cecil und Gloria. Der Ältere studiert und wird zuerst ein Anhänger von Martin Luther King, dann von Malcolm X. Der Generationenkonflikt mit seinem Vater wird heftig und anrührend ausgetragen, manchmal auch ein wenig zu exemplarisch wie in einem Arthur-Miller-Stück. Der jüngere Sohn schließlich wird in Vietnam kämpfen, Ergebnis einer Politik, deren stiller Beobachter sein Vater war. Am Ende, nach Cecils Arbeit und Werdegang, scheint es fast ein logischer Schritt, dass endlich ein Schwarzer als Präsident das Weiße Haus betritt. So scheint Martin Luther Kings »Traum«, der jetzt 50 Jahre alt ist, teilweise in Erfüllung gegangen zu sein. Aber da ist Cecil ein alter Mann, ein Alltagsheld, zufrieden und sehr erschöpft zugleich. Eine andere Geschichte Amerikas hat Daniels erzählt – als genuin amerikanische Geschichte, darin liegt ein Dilemma, aber auch eine Kraft.
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