Kritik zu Love Life
Nach dem Bestseller »Mitten ins Gesicht« von Raymond van de Klundert beschreibt der Niederländer Reinout Oerlemans in seinem Debüt ein Paar, das sich der Herausforderung durch die Krankheit Krebs stellen muss
Ein Mann besitzt alles, was er begehrt: Als Teilhaber einer Werbeagentur in Amsterdam ist er erfolgreich. Er erobert voller Elan eine attraktive Geschäftsfrau, die ihn heiratet und ihm ein Kind mit dem schönen Namen Luna schenkt. Das Idyll im Designerhäuschen scheint perfekt; zudem sieht seine Frau darüber hinweg, dass ihr Mann zwanghaft fremdgeht. Bei Geschäftsessen und auf Reisen lässt es Stijn, so heißt der Superheld im Dauerrausch seiner Manneskraft, ordentlich krachen. Im Filmdebüt des niederländischen Regisseurs Reinout Oerlemans darf der Filou mittels Voice-over seinem ästhetisch bebilderten Hedonismus mit großen Gesten und Worten frönen. Lapidar fasst Stijn sein Selbstverständnis fürs Poesiealbum zusammen: »Der eine bohrt in der Nase, der andere geht fremd.« Von der Zufallsbekanntschaft im Nachtclub bis zur Sekretärin in der Agentur wird alles gevögelt, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Das goldene Zeitalter endet abrupt, als seine junge Frau Carmen an Brustkrebs erkrankt. Eine schwere Krebsart wird bei ihr diagnostiziert, die ein halbes Jahr zuvor bei einer Untersuchung als harmlos eingeschätzt wurde. Eine Fehldiagnose, stellt sich nach einer Biopsie heraus, und das bösartige Geschwür muss entfernt und in einem quälenden Behandlungsprozess aus Chemotherapie, Bestrahlung und letztendlich mit der Amputation der Brust bekämpft werden.
Love Life – Liebe trifft Leben beruht auf dem Bestseller von Raymond van de Klundert (»Kluun«), der 2003 in den Niederlanden, 2005 auf Deutsch unter dem Titel »Mitten ins Gesicht« erschien. Über eine Million Leser fand der autobiografische Roman des Marketingfachmannes, dessen Frau mit 36 Jahren an Krebs gestorben war; ebenso viele wollten die Verfilmung des Buches in den Niederlanden sehen. Pünktlich zum Brustkrebsmonat Oktober startet der Film in Deutschland und lässt einen nicht nur wegen seiner Werbeclip-Ästhetik verärgert zurück: Der Regisseur mag sich in seiner »farbenprächtigen Dynamik«und den »verschiedenen visuellen Stilen und Rhythmen«, wie er es im Presseheft formuliert, theoretisch an großen Filmvorbildern abgearbeitet haben. In der Praxis scheitert Oerlemans mit einer Seifenoper-Ästhetik und -Dramaturgie: Alles ist durchgehend zu laut und geleckt, wie die Bilderbuchwelt, in der sich das Paar bewegt; Glück wird in Slow Motion ausgestellt und mit Kaufhausmusik untermalt. Der Brustkrebs bricht in das auf Erfolg gedrillte Milieu wie ein stinkender Fremdkörper ein, aber der Film findet dafür nur einen gepflegten Ausdruck. Als Carmen im Designerbad kotzt, konstatiert ihr Mann: »Die Chemotherapie war wirklich kein Vergnügen. « Carmen verliert nicht nur eine Brust, sondern zeitweise ihren überforderten »Tittenmann « an eine andere Frau, die ihm als Malerin im Hemdchen und mit Pinsel im gelockten Haar den perfekten Körper bietet. Nun steht nirgendwo geschrieben, dass man an Krebs nobel zugrunde gehen muss wie in dem Klassiker Love Story oder sich ergreifend aus dem bestellten Haus schleicht wie in Mein Leben ohne mich. Aber dieser Film macht es einem mit seinem Egomanen im Mittelpunkt schwer, Mitleid für das durch die Krankheit und den nahenden Tod entkräftete Paar zu empfinden.
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