Kritik zu Die Liebesfälscher

© Alamode

Der erste in Europa realisierte Film des iranischen Meisterregisseurs Abbas Kiarostami: eine einfache Liebesgeschichte, die zugleich ein komplexer Thriller der Wahrnehmung ist

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Abbas Kiarostami, Juliette Binoche, der bekannte Bariton William Shimell und dazu noch die Toskana. In Die Liebesfälscher scheint sich ein Overkill an Arthouse-Kino zu manifestieren. Aber man darf sich nicht täuschen lassen. Kiarostamis Film ist eine kleine, feine Scharade, ein Liebesthriller und eine Tragikomödie über die Rollenspiele des Lebens, die unweigerlich in Bann zieht.

Es beginnt mit einer Irritation. Ein englischer Autor namens James Miller soll in einer italienischen Stadt sein neues Buch vorstellen: eine Untersuchung über Originalität und Fälschung nicht nur in der Kunst, die er unter dem Titel »Copie Conforme« (so der Originaltitel des Films) veröffentlicht hat. Aber der Mann hat sich verspätet. Gleich zu Anfang also ist James Miller eine Figur der Abwesenheit. Als er endlich auftaucht, gutaussehend, nicht mehr ganz jung, erscheint er als Intellektueller, der keiner sein möchte. Sondern ein Drifter, ein melancholischer Abenteurer. Eine Frau fällt auf bei der Präsentation, eine Französin, die mit ihrem Sohn in Italien lebt. Sie ist seltsam unruhig. Ein Suspense entsteht: Ist sie ein Fan von Miller oder lehnt sie seine These ab? Am nächsten Tag besucht der Autor auf Vermittlung seines Übersetzers die Französin in ihrem Antiquitätengeschäft. Eine erste Begegnung, so scheint es.

Kleine Verunsicherungen durchziehen Kiarostamis Film auf sanfte, aber bestimmte Weise. Der Begriff des Schwindels in seiner Bedeutungsvielfalt ist vielleicht das Schlüsselwort zu diesem mysteriösen Liebesfilm. Der Autor und die Französin fahren hinaus aus der Stadt, in die sonnendurchflutete Toskana, die Kiarostami als magische Landschaft neu entdeckt. Der Film wird zu einem Roadmovie, das existenzielle Fragen aufwirft. Die zwei diskutieren über Kunst, Natur, Leben. Dabei behauptet der Autor lässig, Originalität sei überbewertet, scheint jedoch nie die Authentizität in den Kopien um sich herum zu bemerken. Die Frau sucht nach dem Wahren, ist aber bereit, Kompromisse einzugehen: eine Pragmatikerin der Originalität. Binoche spielt sie als sinnliche, emotionale Kämpferin. Rollenklischee und Wahrhaftigkeit sind untrennbar verknüpft. Im Grunde ist Binoche hier einfach Binoche, eine Aktrice als Laiendarstellerin. Shimell, der Kinoneuling, ist umgekehrt der Laie als Filmstar, eine wunderbare Brechung à la Kiarostami in dieser Neufindung der Liebesgeschichte.

Auf ihrem Trip begegnen die beiden unterschiedlichen Paaren. Sie beide sind das Paar in der Mitte: Original und Kopie zugleich. Sie müssen ihre Präsenz finden, zwischen Erinnerung und Zukunft. Die Liebesfälscher erinnert an große Liebesfilme wie Rossellinis Viaggio in Italia oder Stanley Donens Two for the Road, in denen die Welt erklärt wurde anhand einer zärtlichen und manchmal grausamen Lovestory durch Räume und Zeiten. Dies ist ein kleiner Film, in dem sich ein Labyrinth verbirgt – für alle, die über den vergangenen Sommer nachgrübeln und schon an das neue Jahr denken.

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