Kritik zu Meek's Cutoff
Auf die Darstellung von »figures in a landscape« versteht sich die Independent-Regisseurin Kelly Reichardt ausgezeichnet. Ihr neuer Film geht an die Wurzeln des Motivs: es ist ein Pionierwestern
In hoch geschlossenen, pastellfarbenen Kattunkleidern waten drei Frauen durch einen Fluss. Auf den Köpfen tragen sie in Körben ihre Habseligkeiten, ihre Blicke bleiben unter den weit über die Stirn hinausreichenden Arbeitshauben verborgen. Was wie eine ländliche Genreszene beginnt, entwickelt sich in Meek’s Cutoff zu einem faszinierend leisen Western, dessen Dramatik auf der Erfahrung seiner Frauenfiguren beruht.
Nicht die klassischen Westernhelden und -bösewichter drücken der Landeroberungsgeschichte ihren Stempel auf, vielmehr geht es um die alltägliche Arbeit, das eintönige Gleichmaß der Sorge um Wasser, Wegstrecke, Rationierung. Das Licht, die Weite, Stille und Zeitlosigkeit des baumlosen Hügellandes, in dem die Siedler verloren zu gehen drohen, scheinen die mächtigsten Widerparts der in sich gekehrten Protagonisten zu sein.
Emily Tetherow (Michelle Williams), Millie Gately (Zoe Kazan) und die schwangere Glory White (Shirley Henderson) sind zu müde, zu sehr in Sorge, um mehr als das Nötigste zu sprechen. Mit ihren Männern Solomon, Thomas und William (Will Patton, Paul Dano und Neal Huff) und dem kleinen Jimmy White (Tommy Nelson) sind die frommen Siedler nach Oregon unterwegs. Der bärtige Stephen Meek (Bruce Greenwood), ein aufschneiderischer Trapper, hat ihnen abseits des befahrenen Trails eine Abkürzung versprochen, die sich jedoch als gefährlicher Irrweg erweist. Meek’s Cutoff orientiert sich an der Geschichte eines Trecks, der sich 1845 dem historischen Stephen Meek anschloss und bei dessen Weg durch die Wüste (dem nach ihm benannten Cutoff) viele Opfer zu beklagen waren.
In sieben Filmen bewies die amerikanischeAutorenfilmerin Kelly Reichardt ( Wendy & Lucy) bislang, dass sie dichte Landschaftsatmosphären und eigenartig traumverlorene Reisebewegungen für ihre treffenden Porträts zu nutzen vermag. In Meek’s Cutoff geht es um eine kaum merkliche Kräfteverlagerung, die nicht als didaktische Legitimation eines Frauenstandpunkts erzählt wird, sondern vielmehr als schwebend tranceartige Auflösung fest gefügter Geschlechterordnungen. Anfangs noch trotten die Frauen hinter den Männern und den von Ochsen gezogenen Planwagen her. Sie bauen die Zelte auf, sammeln Holz, machen Feuer und bereiten das dürftige Essen zu. Sie wissen, dass die Wasservorräte zur Neige gehen, auch ihr Vertrauen in Stephen Meek schwindet, doch wenn die Männer beraten, bleiben sie schweigend im Hintergrund.
Erst als ein Indianer (Rod Rondeaux) auftaucht, den Meek gefangen nimmt, steht die ganze Gruppe vor einer Entscheidung. Weiß der Fremde, der am Weg mysteriöse Zeichen an den Felswänden hinterlässt und in seiner Sprache Kontakt mit den Mächten in den Wolken und Gestirnen aufzunehmen scheint, wo der Weg verläuft und Wasser zu finden ist?
Während Meek den Indianer mit wüster Fabulierlust zum barbarischen Todfeind stempelt und Panik unter den Gatelys verbreitet, nimmt Emily vorsichtig Kontakt zu ihm auf, näht ihm sogar den zerfetzten Mokassin. Sie versucht, ihn gewogen zu machen, versucht auf sprachlose Art zu verhandeln. Kein Wunder, dass Meek den Verlust seiner Deutungsmacht spürt und die Gruppe gegen Emilys kluge Taktik aufzubringen versucht. Doch längst ist die Gruppe in der Traumzeit angekommen und folgt ihrem neuen Lotsen.
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