Kritik zu Submarine
Erste Liebe und spätpubertärer Weltschmerz: Dieses nicht ganz neue Thema verpackt der Brite Richard Ayoade ganz frisch und originell als Zeitreise in die 80er Jahre und als Hommage an die Nouvelle Vague
Der Name erinnert an Dickens, vielleicht auch an Jodie Fosters Wunderkind: Oliver Tate, das klingt groß und grundsätzlich, irgendwie besonders, und wahrscheinlich würde sich dieser 15-Jährige wohl auch so oder so ähnlich beschreiben. Gleich zu Beginn fantasiert er sich zusammen, wie Lehrer und Mitschüler, Eltern und Medien wohl auf seinen Tod reagieren würden: Betroffenheits-Statements, Mahnwachen, live vom Schultor berichtende TV-Sender – ein Trauerspektakel à la Lady Di oder Michael Jackson. Darunter macht es Oliver Tate (Craig Roberts) nicht, dieser gescheite, leicht verschrobene und selbstverliebte Junge mit den melancholischen Augen und dem schwarzen Dufflecoat. In seinem Hang zur pathetischen Überhöhung sieht er sich vermutlich als direkten Verwandten von Holden Caulfield aus dem »Fänger im Roggen«: ein genialischer Unverstandener und schwermütiger Außenseiter, den die Welt nur retrospektiv so recht zu würdigen weiß.
Für seine Umgebung dagegen ist Oliver eher ein »Submarine«, einer, der unentdeckt bleibt, tiefgründig vielleicht, aber nur selten präsent. Und die Dinge, die ihn beschäftigen, sind kaum außergewöhnlich: die erste Liebe etwa, die Eheprobleme der Eltern, die Suche nach dem eigenen Platz in der Welt. Doch Regiedebütant Richard Ayoade, Eingeweihten bekannt als Darsteller der britischen Sitcom »The IT Crowd«, stellt gleich klar, dass er den Zugang zum Coming-of-Age-Genre weniger über inhaltliche als über formale Originalität sucht. Alles ist möglich bei ihm, vom fantasievollen Exkurs über ein ironisches Voice-over bis zu allen erdenklichen Kamera- und Montagetricks, die dem Geschehen etwas Frisches, Verspieltes, Nouvelle-Vague-haftes verleihen.
Da hat Oliver beispielsweise gerade einen Liebesbrief an seine Klassenkameradin Jordana (Yasmin Paige) überbracht und steht etwas verloren vor dem Gartentor. Im Film über sein Leben, erklärt er dazu aus dem Off, würde sich die Kamera in diesem Moment mit einer imposanten Kranfahrt von ihm entfernen, um seine Verlorenheit zum Ausdruck zu bringen. Tatsächlich sehen wir, wie die Kamera ganz schlicht von ihm wegzoomt, worauf Oliver auf der Tonspur ergänzt: Ein Film über sein Leben wäre zwangsläufig eine Low-Budget-Produktion, die sich keinen Kran leisten und deshalb mit einem Zoom vorliebnehmen müsste.
Solch selbstreflexiven Esprit versprüht Submarine in einem fort, und auch Olivers Geschichte lebt von feinem, selbstironischem Humor, ohne dabei je ins Platte abzugleiten. Bei der Betrachtung seiner Figuren übt sich Ayoade vielmehr in Ruhe und Understatement, in einer wunderbaren Unaufgeregtheit, die alles ganz unspektakulär und darum umso glaubwürdiger erscheinen lässt. Während der ersten Hälfte konzentriert er sich auf Olivers Werben um die spröde Jordana, die wie er – auch das ein Verdienst des Films – ein ganz normaler, weder besonders attraktiver noch unattraktiver Teenager ist. Überraschend schnell kommt Oliver ans Ziel; danach verschiebt sich der Fokus auf Olivers Eltern, deren Entfremdung der Junge argwöhnisch beobachtet und die ihm sehr zu schaffen macht. Sein Vater (Noah Taylor), ein antriebsloser Meeresbiologe, rutscht zunehmend in die Depression, während seine Mutter (Sally Hawkins) sich wenigstens kleine Fluchten aus ihrer kleinbürgerlichen Existenz erhofft.
Die Story spielt ungefähr Mitte der 80er Jahre, was sich nur allmählich erschließt, wenn Audio- und Videokassetten, das Kinoprogramm und New-Age-Bezüge das Geschehen Geschehen in einem Zeitalter verorten, in dem die Kids noch analog kommunizierten. Im walisischen Swansea war damals nicht viel los – nur so ist zu erklären, dass der schrille Selbstfindungshumbug des neuen Nachbarn (und alten Liebhabers von Olivers Mom) für so viel Aufsehen sorgt. Graham (Paddy Considine) ist mit seinem spacigen Outfit und der Vokuhila- Frisur zwar für den einen oder anderen Lacher gut, vorübergehend kommt Ayoade aber ein wenig vom Weg ab, wenn er Grahams Show und Olivers detektivische Bemühungen rund um den vermeintlichen Seitensprung seiner Mutter ins Zentrum rückt. Erst mit dem Finale und der Rückeroberung der großen Liebe findet der Film dann zu seinem Ton zurück: amüsant und bewegend, ganz leicht und doch gewichtig.
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