Chronist der Münchner Schickeria – Der Regisseur Helmut Dietl ist tot
Er schuf unvergessene Figuren wie den Klatschreporter Baby Schimmerlos oder den großspurigen Generaldirektor Haffenloher: Der Regisseur Helmut Dietl ist im Alter von 70 Jahren gestorben
Unvergessen ist die Figur des Baby Schimmerlos, mit der Regisseur Helmut Dietl in den 80er Jahren in der TV-Serie Kir Royal dem deutschen Boulevardjournalisten Michael Graeter ein Denkmal setzte. Franz Xaver Kroetz spielte den umtriebigen Münchner Journalisten, der entscheidet, wer aus der Münchner Schickeria reinkommt in sein Blatt und wer nicht, wer also in ist und wer out. Und unvergessen auch die Figur des Direktor Haffenloher, gespielt von Mario Adorf, der droht, den Baby "zuzuscheißen" mit seinem Geld, damit er endlich, endlich in der "Münchner Allgemeinen Tageszeitung" über ihn berichtet.
Mediensatire: Keiner konnte das so gut wie Helmut Dietl. Ob in seinem legendären Film Schtonk!, in dem er den Skandal um die vom "Stern" veröffentlichten gefälschten Hitler-Tagebücher zu einem der besten Kinofilme der 90er Jahre verarbeitete, ob in Kir Royal oder in seiner frühen BR-Serie Der ganz normale Wahnsinn, in der Towje Kleiner den Journalisten Maximilian Glanz spielte. Den Dialogen von Dietls Filmen und Serien war die Akribie, mit der er an ihnen feilte, anzumerken: Hier stimmte jedes Wort, jeder Tonfall. Als er Ende der 90er mit Harald Schmidt die Mediensatire Late Show drehte, fand dieser in den Dialogen viele bekannte Argumente von Programmverantwortlichen in den Drehbüchern wieder.
Dietl, der 1944 in Bad Wiessee geboren wurde, studierte in München Theaterwissenschaft und Kunstgeschichte. In den 60er Jahren arbeitete er als Aufnahmeleiter beim Fernsehen, später als Regieassistent bei den Münchner Kammerspielen.
Schon mit seiner ersten Arbeit für den Bayerischen Rundfunk (BR), den Münchner Geschichten mit Günther Maria Halmer und Therese Giehse, machte sich der damals 30-Jährige einen Namen als Autor und Regisseur. Für die Serie erhielt er seinen ersten Grimme-Preis. Die Münchner Geschichten und das Schwabinger Milieu prägten auch Der ganz normale Wahnsinn und Kir Royal. 1983 drehte er mit Helmut Fischer in der Titelrolle die Vorabendserie Monaco Franze.
In den 90er Jahren wandte sich Dietl vom Fernsehen ab und drehte die Kinofilme Schtonk!, Rossini oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief und Late Show mit Harald Schmidt und Thomas Gottschalk in den Hauptrollen als Programmdirektor eines Privatsenders und als Showtalent. Sein Versuch, 2012 mit Zettl an den Erfolg von Kir Royal anzuknüpfen, wurde jedoch von der Kritik eher zwiespältig aufgenommen. Die "Süddeutsche Zeitung" vermisste in dem Film jene Mischung aus Spott und Zärtlichkeit, die Dietl als Chronisten der Münchener Schickeria ausgezeichnet hatten.
Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk empfahl Dietl in unserem Interview 1999, sich aus dem Quotenrennen zu verabschieden. "Ich verstehe, dass sie unter der politischen Knute durch die Landesfürsten stehen und ihre Existenzberechtigung nachweisen wollen". Das könne aber "keine Begründung für die Nivellierung des Niveaus werden".
Im vergangenen Jahr erhielt Dietl, schon gezeichnet von seiner Krankheit, für seine Verdienste um den deutschen Film den Ehrenpreis der Deutschen Filmakademie. Er starb am Montag im Alter von 70 Jahren in München.
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns