Nahaufnahme von Maggie Smith
Maggi Smith in »Downton Abbey«
Sie gehört zu Englands Schauspieladel. Vielleicht spielt sie deshalb die arrogante Aristokratin in Downton Abbey so gut.
Glatt war Maggie Smith nie. Ihr Spiel: spröde, akzentuiert und oft wie in leichter ironischer Distanz zu ihren Rollen. Sie zeigt Haltung, hat Biss. Sie überschreitet die Grenzlinien zwischen Komödie und Tragödie mit einer Eleganz und Leichtigkeit wie wenige andere. Dann ihr Äußeres: schlank, fast kantig in ihrer Jugend, mit damals noch raschen Bewegungen. Ein markantes Gesicht, Wangenknochen wie Rasierklingen und diese unglaublichen Augen unter oft halb geschlossenen Lidern, die sie immer ein bisschen müde aussehen lassen, genervt vom Leben, für das sie zu intelligent ist. »She always looks so extreme!«, kreischte eine Schülerin in ihrem frühen Erfolgsfilm The Prime of Miss Jean Brodie, in dem sie eine zackige Lehrerin mit ein paar Problemen spielte.
Maggie Smith also: Jahrgang 1934 und nie eine Schönheit, die sich dem Zeitgeist anschmiegte – ganz gleich, was dieser als weibliches Idealbild vorsah. Für die fünfziger Jahre, in denen ihre Karriere begann, war sie nicht kurvig genug, in den sechziger Jahren nicht frech genug, in den Siebzigern nicht lässig genug und in den 2000er Jahren – zu alt. Jedenfalls wenn man gängige Maßstäbe zugrunde legte. All dies aber ist es, was Maggie Smith so hinreißend macht, wofür sie immer schon geschätzt wurde. Ihre Karriere zeigt – mit eindrucksvoller Kontinuität –, dass es trotzdem und auch anders geht.
Und was für eine Karriere. Sechs Mal ist sie für den Oscar nominiert worden, zwei Mal gewann sie ihn. Einmal 1970 als beste Hauptdarstellerin in The Prime of Miss Jean Brodie. Und dann noch einmal als beste Nebendarstellerin neun Jahre später in California Suite (Das verrückte California Hotel). Darin ist sie ausgerechnet Diana Barrie, eine englische Schauspielerin, die für den Oscar nominiert ist – für eine Rolle, die ihre Karriere retten könnte, obwohl sie keine Chance sieht, die Trophäe zu gewinnen. Es ist einer der Filme, in denen Hollywood sich selbst bespiegelt und in Szene setzt. Der Oscargewinn der Frau, die im Film eben leer ausgeht, war eine besonders hübsche Pointe. Bei der Gelegenheit konnte Maggie Smith im wirklichen Leben gleich auch noch den Golden Globe und den Evening Standard British Film Award abräumen: Selten spielte jemand Talentlosigkeit mit so viel Talent. Überhaupt ist die Liste ihrer Ehrungen und Auszeichnungen illuster und von epischer Länge. Auch am Theater brillierte sie an der Seite der Allerbesten in England, von Laurence Olivier bis Derek Jacobi, doch davon existieren kaum filmische Dokumente.
Deutschen Zuschauern ist sie vor allem aus den Harry-Potter-Filmen und als zänkische Matriarchin in Downton Abbey bekannt, die der Erfinder der Serie Julian Fellowes deutlich nach dem Vorbild von Lady Bracknell in Oscar Wildes Komödie »The Importance of Being Earnest« modelliert hatte. Smith spiele die Aristokratin so, wie Klein Fritzchen aus der Mittelklasse sich eben eine Adlige vorstelle, wurde im klassenbesessenen England schon mit Herablassung analysiert. Das träfe auch auf Ihre Darstellung der Gräfin Trentham in Robert Altmans Gosford Park (2001) zu. Andere kritisierten ihren Auftritt in Downton Abbey als zu exaltiert, zu camp. Das hindert Millionen von Fans aber nicht daran, die Dame mit den besten Sprüchen der eskapistischen englischen Herrenhausfantasie besonders ins Herz zu schließen. Und wären da nicht die Intelligenz und die Melancholie, die Maggie Smiths Witz Tiefe verleihen, sie würde so innig nicht verehrt.
Die große alte Dame gab sie erneut in der Harry-Potter-Serie als Professor McGonagall: Da übernahm sie noch einmal die Lehrerinnenrolle, mit der sie mehr als dreißig Jahre zuvor den Oscar gewonnen hatte; dieses Mal überwogen die komischen Momente. Immer wieder (so in Zimmer mit Aussicht, 1985) spielte sie an der Seite ihrer engen Freundin Judi Dench – zuletzt in Best Exotic Marigold Hotel (2011), dessen Fortsetzung im April in die deutschen Kinos kommt. In der Rolle der ehemaligen Hausangestellten Muriel scheinen Facetten früherer Leinwandcharaktere noch einmal auf: die zänkische, reaktionäre, altjüngferliche Frau, die schließlich Schwäche zeigt. Und dann die große Wendung vollzieht, aber nicht nur ihrem eigenen Leben eine energische neue Richtung gibt, sondern auch dem Schicksal des bröckelnden Hotels, in dem sie mit in einer Gruppe von Senioren untergebracht wurde. Da steigt Maggie Smith mitsamt dem Best Exotic Marigold Hotel noch einmal wie Phönix aus der Asche.
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