Kritik zu The United States of Hoodoo
Der Schriftsteller Darius James begibt sich auf einen Roadtrip der besonderen Art: Zwischen New York, New Orleans und Seattle sucht er nach den spirituellen Ursprüngen der Black American Culture
Früher wurde uns immer eingetrichtert, alles, was aus Afrika kommt, sei schlecht. Einzige Ausnahme: wenn es um ästhetische Gründe ging«, sagt Danny Simmons müde. Er fläzt sich auf einem gewaltigen Sofa, an den Wänden hängen unzählige Holzmasken, die er drei Stockwerke hoch in seinem Haus in Brooklyn angeordnet hat. Wegen seiner mystischen Ausstrahlungskraft nennt man es das »House of Spirits«. Simmons ist der ältere Bruder von Russell und Joseph Simmons, die mit ihrer Hip-Hop-Gruppe Run DMC in den 80er Jahren große Erfolge feierten. Er selbst ist Maler, einer der großen Stars des Neo-African Abstract Expressionism – und einer der vielen Protagonisten in Oliver Hardts Dokumentation.
Sein eigentlicher Hauptdarsteller heißt Darius James, den hierzulande nur studierte Kulturwissenschaftler kennen dürften. Der Mann mit dem schütteren Haar, angegrauten Dreadlocks und dem chamäleonhaften Blick hat in den 90er Jahren die Bücher »Negrophobia « und »That’s Blaxploitation« veröffentlicht und beschäftigt sich seitdem in unzähligen Essays mit den kulturellen Ursprüngen afroamerikanischer Popkultur. James tut das, wovon wohl viele seiner farbigen Landsleute träumen: Er reist einmal von der Ost- zur Westküste und begibt sich auf eine Reise zu den spirituellen Ursprüngen der Black Culture, die von Voodoo, HipHop, Blues und, na klar, der Sklavengeschichte geprägt ist. Zugleich kommt James den emotionalen Vepflichtungen seines Herzens und denen seiner Familie nach: Der jüngst verstorbene Vater hat ihm nicht nur die eigene Asche und ein Haus hinterlassen, sondern auch eine gefühlte Containerladung voll von afro-folkloristischem Handwerk, dessen mythisch aufgeladeneGeschichte es zu ergründen gilt.
James besucht DJs in Brooklyn, Voodoo- Gläubige in New Orleans, Schriftsteller in Oakland, Künstler in Chicago und Bluesveteranen in Mississippi. Sie alle verbindet nicht ein kreativer Geist, sondern auch der spirituelle Glaube an Legba, den wichtigsten Geist des Voodoo-Kults. Die bildliche Darstellung des hierzulande oftmals als »Teufelskult« bezeichneten Glaubens fällt allerdings unspektakulär aus: Sinnenthemmte Gläubige, die bei Zigarren, Rum und polyrhytmischen Drum- Beats ekstatisch zuckend das Bewusstsein verlassen, kommen hier nicht vor. Stattdessen findet die Suche nach dem kulturellen Ursprung auf der verbalen Diskursebene statt. Interview reiht sich an Interview, außergewöhnliche Schauwerte bleiben Mangelware. Trotzdem interessant: In der Weltsicht des Voodoo gibt es zunächst nur die »Oberfläche«. Die physische, sichtbare Welt. Erst der Rauschzustand bringt sie in den berüchtigten transzendentalen Zustand, den die Gläubige Sallie Ann Glassman im Film folgendermaßen interpretiert: »Gleichzeitig existiert ein unsichtbarer Ozean des Geistes. Und unter Geist verstehe ich intelligente Energie.« Am Ende des Films gibt es eine Szene, in der Darius James ernüchtert in sein Zuhause zurückkehrt: So viele Bilder, so viele Menschen, trotzdem noch so viele offene Fragen. Ein ungewolltes Sinnbild für den Kinozuschauer, der interessiert, aber noch nicht erleuchtet wieder den Saal verlässt.
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