Interview: Kyle Soller, Ben Mendelsohn und Denise Gough über »Andor«
Kyle Soller, Ben Mendelsohn, Denise Gough in »Andor« (Staffel 2, 2025). © Lucasfilm Ltd.
Die zweite Staffel von »Andor« steht in den Startlöchern. Ben Mendelsohn, Kyle Soller und Denise Gough spielen jeweils einen Bösewicht. Im launigen Interview sprechen sie gemeinsam über die Faszination, in einer so großen Produktion mitzuspielen, warum Andor zeitlos aktuell ist und ob sie am Set einer so ernsten Serie auch Spaß hatten
Mr. Mendelsohn wie war es für Sie, fast zehn Jahre nach »Rogue One« wieder in die Rolle des Bösewichts Orson Krennic zu schlüpfen?
Ben Mendelsohn: Am Anfang war es ziemlich entmutigend, fast schockierend. Der Kontext ist so anders. Aber es dauerte nicht lange, bis sich eine gewisse joie de vivre eingestellt hat, zurück zu sein. Ich bin ein großer Fan des gesamten Werkes.
Sie werden oft als Bösewicht besetzt. Macht es Ihnen Spaß, auf der Leinwand fies zu sein?
Mendelsohn: Beim Böse sein geht es um Selbstsucht, um Wut, um eine Menge Emotionen, die man nicht so zeigt, wenn man eine respektablere Rolle spielt. Das macht Spaß!
Sie drei verkörpern sehr unterschiedliche Arten von...
Mendelsohn: ... Sexappeal, ist das Wort, das Sie suchen! (Gelächter)
Genau das meinte ich! Nein, es geht um unterschiedliche Arten von Bösewichten. Mr. Soller, Ihr Charakter ist anfangs etwas inkompetent. Er hat Probleme mit seiner Mutter, ist aber auch sehr ehrgeizig und entschlossen. Wie sind Sie an diese Rolle herangegangen?
Kyle Soller: Tony Gilroy [der Showrunner, Anm.] hat mir einen Überblick darüber gegeben, worum es ihm ging. Aber als ich die ersten Drehbücher las und die Welt sah, in der er Syril ansiedelte, war das ein Aspekt eines »Star Wars«-Bösewichts, den man noch nie gesehen hat. Nämlich, dass er zu Hause bei seiner Mutter lebt...
... und Müsli isst.
Soller: Ja. Seine Sucht nach Müsli, blauer Milch und dazu eine toxische Mutter waren sehr eindrücklich.
Mendelsohn: Ich glaube nicht, dass Syril inkompetent ist. Ich denke, dass Syril überkompetent ist. Die Maschinerie um ihn herum bringt ihn dazu, üble Dinge zu tun, was er letztlich auch begreift. Er wird benutzt.
Soller: Man könnte ihn als größenwahnsinnig bezeichnen, aber er hat extrem hohe Standards, die nicht zu dem Sektor des Imperiums passen, in dem er arbeitet. Er ist bereit für etwas Besseres, aber er kann es einfach nicht erreichen. Diese Frustration ist letztlich sein Untergang.
Er erkennt, was um ihn herum passiert und was er dazu beigetragen hat.
Soller: Ja, es ist ein ultimativer Verrat an allem, was er vom Imperium geglaubt hat. Die Erkenntnis, dass er in gewisser Weise der Katalysator oder die Schachfigur war, um ein Verbrechen in Gang zu setzen, war für ihn völlig niederschmetternd.
Ein Thema der Serie ist, wie die Wahrheit von den Mächtigen verdreht und für ihre Zwecke instrumentalisiert wird. Das macht die Serie zu einem politischen Kommentar zum aktuellen Zeitgeschehen. Wie war es für Sie, zu sehen, wie sich das in der Realität widerspiegelt?
Soller: Die Stärke von »Andor« und »Star Wars« im Allgemeinen ist, dass sie immer die reale Welt widerspiegeln, in der wir leben. Im Grunde ringt »Star Wars« mit den Themen, mit denen wir schon seit Tausenden von Jahren ringen seit wir versuchen, in Gemeinschaften zusammenzuleben, uns gegenseitig Land und Ressourcen wegnehmen und Menschen ausbeuten. Gutes Writing wird immer relevant sein und »Andor« ist ein außergewöhnliches Werk. Wenn es zufällig Anspielungen auf die Zeit gibt, in der wir jetzt leben, dann nur, weil das Skript so hervorragend ist. Wenn man »Andor« vor 100 Jahren gezeigt hätte oder in 100 Jahren zeigen würde, würden die Leute sagen: Wow, das ist wirklich super relevant!
Miss Gough, Ihre Figur ist eine kühl und analytisch vorgehende Agentin. Sie sticht unter ihren männlichen Kollegen im imperialen Geheimdienst heraus. Muss sich eine Frau auch in »Star Wars« gegen eine männerdominierte Welt behaupten?
Denise Gough: Ich glaube nicht, dass Dedra zu Hause sitzt und denkt: Oh mein Gott, weil ich eine Frau bin, muss ich doppelt so hart arbeiten. Eine Faschistin ist eine Faschistin. In einer Szene der ersten Staffel foltert sie eine andere Figur. Da merkt man erst, wie sich Macht auf sie auswirkt. Macht kann beide Geschlechter korrumpieren. Es geht nicht darum, dass sie eine Frau ist, die in einer Welt voller Männer herausragt. Sie ist einfach brillant. Immer, wenn man versucht, etwas in dieser Welt, die Tony und sein Team geschaffen haben, zu vereinfachen, wird einem der Boden unter den Füßen weggezogen.
In einigen Szenen zeigt sie sich auch verletzlich.
Gough: Sie ist nur verletzlich, wenn sie die Kontrolle verliert. Sie zeigt diese Verletzlichkeit nur in einem abgeschlossenen Raum, in dem niemand ist. Und sie ist unglaublich geschickt darin, ihre Verletzlichkeit zu verbergen. Darin hat sie eine große Ähnlichkeit zu Syril.
Was ist das Spannendste daran, an einer Produktion dieser Größenordnung beteiligt zu sein?
Soller: Der Aufbau der Sets ist absolut unglaublich. Man betritt sie und jeder einzelne Winkel und jede Ritze, jeder Kleiderschrank ist mit Leben und Details gefüllt. Ich erinnere mich an das Set von Ferrix [einem Ort aus der ersten Staffel, Anm.]: Es war ein 360-Grad-Set. Man konnte überall hinlaufen. Und die Kamera konnte dir folgen. Ich habe das noch nie zuvor erlebt und mir wurde klar, dass diese Leute auf einem sehr hohen Niveau arbeiten.
Mendelsohn: Dieses Level an Neugier und Hingabe geht weit über das übliche Maß bei anderen Produktionen hinaus. Das ist sowohl beängstigend als auch hilfreich. Ich habe an einigen großen Produktionen mitgewirkt und mich oft gefragt: Oh man, wie komme ich da rein? Bei »Andor« geben sie dir eine ganze Welt, die die Kamera zum Teil nicht einmal einfängt. Das tut sonst niemand.
Soller: Ja und es gibt all diese Easter Eggs, die darin versteckt sind. Wenn ein Fan die Serie schaut, sieht er vielleicht ein Detail von etwas, das mit anderen Dingen zusammenhängt. Dieses Netz, das sie kreiert haben, in dem dieses ganze Universum integriert ist, ist an diesen Sets zu sehen.
Gough: Es fühlt sich aber nicht überwältigend an, sondern seltsam intim, weil es eine reale Welt ist. Man hat nicht das Gefühl, dass alles nur riesig, sondern eher detailliert ist. Es ist ein bisschen als würde ein Kostümbildner an einem Knopf am Hemd eines Nebendarstellers herumfummeln, den niemand jemals sehen wird. Die Liebe zum Detail in jeder Abteilung ist umwerfend.
Der Ton der Serie ist sehr ernst. Hatten Sie etwas Spaß am Set?
Mendelsohn [ironisch]: Nein!
Gough [ironisch]: Nein.
Soller [ironisch]: Nein.
(Gelächter)
Mendelsohn [ironisch]: Wir sind alle method actor.
Gough [ironisch]: Jeder bleibt in seiner Rolle. Es ist einfach...
Mendelsohn [ironisch]: ...unangemessen.
Gough [ironisch]: Spaß ist unangemessen! (lacht)
Soller [ironisch]: Es war sehr einsam, sehr traurig.
Gough: Es gab eine einzige Person, bei der ich aufgeregt war, mit ihr zusammenzuarbeiten, das war Kathryn Hunter [welche die Mutter von Syril spielt; Anm.].
Mendelsohn [ironisch]: Sie ist furchtbar traurig!
Gough [ironisch]: Sie war so traurig und wütend.
(Gelächter)
Gough: Ich erinnere mich daran, dass sie hereinkam und ich dachte, sie sei gemein, dabei war sie so schelmisch und verspielt. Ich werde richtig gestresst, wenn alle am Set alles so ernst nehmen. Ich nehme natürlich die Arbeit an sich ernst. Zwischen »Action« und »Cut« ist man voll dabei, aber den Rest der Zeit will man alles leicht und spielerisch halten. Also wir hatten einigen Spaß.
Soller: Spaß haben ist der Inbegriff von Schauspiel. Es ist Tony Gilroy und Nina Gold [Casting, Anm.] zu verdanken, dass sie eine Besetzung zusammengestellt haben, die zu einer großen Gemeinschaft wurde. Diese Leute haben sich zusammengefunden und die Sache ernst genommen, aber auch gewusst, dass es eine gewisse Leichtigkeit geben muss. Und Tony steuerte das Schiff und sorgte dafür, dass wir nicht alle traurig waren.
Gough: Tony ist selbst ein Scherzkeks. Er ist lustig, aufgeregt und ein bisschen seltsam, wie er selbst zugibt. Man hatte nie das Gefühl, dass man einen ernsten Chef hat.
Waren Sie »Star Wars«-Fan, bevor Sie in »Rogue One« mitgewirkt haben?
Mendelsohn: Ich war sieben, als der erste Film herauskam.
Erinnern Sie sich an das erste Mal, als Sie den Film gesehen haben?
Mendelsohn: Oh ja, absolut! Ich erinnere mich an diesen Sound. Das Geräusch kam von hinten. Ich sitze im Kino und da kommt das Raumschiff auf die Leinwand geflogen. Ich bin ein Fan der ersten Stunde!
Soller: Ich bin damit aufgewachsen. Meine älteren Brüder und ich haben die VHS-Kassetten angeschaut.
Gough: Ich nicht. Ich habe fünf Brüder. Daher wusste ich nur, dass es »Star Wars« gibt. Ehrlich gesagt, bin ich froh darüber, weil ich weniger Druck verspürt habe. Wäre ich ein großer Fan, wäre ich ein bisschen nervös gewesen, aber so dachte ich: »Ich habe keine Ahnung, was hier passiert. Aber es ist großartig.« Kyle hat mir in der ersten Staffel viel darüber beigebracht. Du kannst eine großartige Chewbacca-Imitation machen, Kyle!
Ich mache ein schriftliches Interview. Wenn Sie Chewbacca imitieren, kann ich das nicht aufschreiben.
Mendelsohn: Schreiben Sie doch einfach »Kooorrr, korrr!« Benutzen Sie Ihre Phantasie. Sie sind Journalist, um Gottes Willen. (lacht)
Ich muss es hören.
Mendelsohn: Kannst du das machen, Kyle?
Beide starren auf Kyle Soller, der so tut als würde er ein lautes Geräusch machen.
Gough [ironisch]: Das war wirklich gut!
Der Autor blickt skeptisch in die Kamera.
Soller: Er ist sich unsicher...
Mendelsohn [ironisch]: Sie sind ein bisschen grob, Liebling! Es ist noch so früh am Morgen. Ein Schauspieler bereitet sich vor, Schätzchen. Er zeigt Ihnen seine beste Wookie-Imitation und Sie sind noch nicht überzeugt. Das zeigt aber nur, dass Ihre hohen Ansprüche gut zu uns passen. Sie sollten für das Imperium arbeiten!
Als Arthouse-Magazin haben wir natürlich einen hohen Standard. Wenn Sie die Macht nutzen könnten, wofür würden Sie sie benutzen?
Mendelsohn: Pleasure.
(Gelächter)
Gough: Ich würde sie benutzen, um irgendwo zu verschwinden und dann woanders wiederaufzutauchen. Damit man nicht reisen muss. Teleportation. Kann man das mit der Macht machen?
Mendelsohn: So funktioniert das nicht.
Soller: Ich würde sie benutzen, um eine bessere Chewbacca-Stimme zu bekommen.
(Gelächter)
Aus meiner Sicht war das schon sehr beeindruckend.
Gough [ironisch]: Jetzt ist es zu spät. Das haben Sie eben nicht gesagt!
Mendelsohn [ironisch]: Wir haben Ihre Reaktion genau gesehen!
Soller [ironisch]: Das war das letzte Mal, dass ich das gemacht habe.
Gough [ironisch]: Sie haben es ihm verdorben! Er hatte vor, das den ganzen Tag mit jedem Journalisten zu machen.
(Gelächter)
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