Kritik zu Angels' Share – Ein Schluck für die Engel

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Ken Loach, der Whisky und die Verdunstung: Wie eine Truppe schottischer Underdogs mit dem Mut der Verzweiflung einen großen Coup landet

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In seinem letzten bei uns im Kino gelaufenen Film, »Looking for Eric«, ließ Ken Loach den Fußballer Eric Cantona auftreten, als Traumgestalt – und als Mentor für den Helden, dem er die wichtigen Dinge des Lebens beibrachte (»Wechsele nie deinen Fußballclub«). Man merkte schon bei diesem Film, dass Loach zu einer gewissen Abgeklärtheit gefunden hatte. Sicherlich, seine working class-Filme hatten immer schon Humor, aber oft schlug dann die harte Realität doch mit aller Wucht zu.

»Angels' Share« ist ein Feelgoodmovie wie »Looking For Eric«, aber dennoch hat Loach das soziale Umfeld so genau gezeichnet, wie man es von ihm kennt. Schon die Exposition, ein Gerichtsverfahren, das lustlos und am Fließband Urteile produziert, ist ein kleines Meisterstück der Montage von Humor und Naturalismus. Albert (Gary Maitland) etwa wird verurteilt, weil er betrunken den Zugverkehr blockiert hat, und Robbie (Paul Brannigan), der da nicht zum ersten Mal steht, bekommt seine letzte Chance, weil seine Freundin hochschwanger ist. Alle, die dieses Gerichtsverfahren durchlaufen, werden zu Sozialstunden verdonnert, die sie unter Anleitung des Aufsehers Harry in Glasgow abarbeiten müssen.

Für Robbie wird Harry so etwas wie ein väterlicher Freund. Robbie steht unter Druck: Der Vater seiner Freundin möchte nicht, dass er mit ihr eine Familie gründet, Schläger einer verfeindeten Familie sind hinter ihm her, und auch seine Freundin gibt ihm nur noch eine Chance. Dass Robbie auch ein übler Schläger sein kann, zeigt Loach in einer Rückblende. Das verordnete Täter-Opfer-Gespräch, bei dem er seinem dauerhaft verletzten Opfer gegenübersitzt, gehört zu den eindrucksvollsten Momenten des Films.

Harry begeistert seine Truppe für Whisky. Es erweist sich, dass Robbie eine feine Nase hat. Bei einem Tasting kriegen Robbie, Albert, Mo (Jasmine Riggins) und Rhino (William Ruane) mit, dass ein letztes Fass einer bereits geschlossenen Destillerie in den schottischen Highlands zur Versteigerung ansteht. Als Mitglieder eines Whiskyclubs und mit schottischen Kilts getarnt, ziehen sie mit Mastermind Robbie einen letzten Coup durch und zapfen vier Flaschen ab. Was nicht sonderlich auffällt, denn bis zu ein Prozent verdunsten sowieso, was in der Sprache der Whiskykenner »Angels' share« heißt.

Immer mehr verwandelt sich »Angels' Share« von einem Sozialstück zu einem Märchen, aber nicht so stilisiert und abgehoben wie in Aki Kaurismäkis »Le Havre«, sondern viel realistischer, als ein Lehrstück darüber, wie aus proletarischer street smartness ein ausgeklügelter Raubzug wird. Für die notwendige Erdung sorgt auch das Darstellerensemble, das Loach aus Laien, Newcomern und professionellen Schauspielern zusammengestellt hat. Es ist eine große Kunst, einfache Menschen überzeugend darzustellen, und sie meistern es überragend. Vor allem Paul Brannigan als Robbie, der eine ähnliche Vita hinter sich hat wie seine Figur, hat in seinem ersten Leinwandauftritt eine Natürlichkeit, dass man ihm auch seine Läuterung abnimmt.

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