Netflix: »A Man on the Inside«
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Möchte man den tristen Alltag in einem Seniorenheim überhaupt im Film sehen? Wie reizvoll dieses Motiv sein kann, führte einst schon mal »Lina Braake« vor Augen, immerhin eine der erfolgreichsten Produktionen des Neuen Deutschen Films. »Sein letztes Rennen« mit Dieter Hallervorden als ehemaliger Olympiasieger, der im Altersheim für den Berlin-Marathon trainiert, zeigte gar, dass dieses Thema komödientauglich ist.
Zu diesem Genre zählt auch die Comedy »A Man On the Inside« (Undercover im Seniorenheim), die der Serienschöpfer Michael Schur (»The Good Place«) für Netflix kreierte. Inspiriert wurde der Achtteiler von der chilenischen Produktion »Der Maulwurf – Ein Detektiv im Altersheim«, ein Genre-Crossover aus Dokumentar- und Spionagefilm, in dem ein älterer Herr als verdeckter Ermittler Missstände in einer Seniorenresidenz aufklären soll. In »A Man On the Inside« schlüpft Ted Danson in diese Rolle. Charles ist ein pensionierter Professor, der noch gut beieinander ist. Doch nach dem schmerzlichen Verlust seiner Frau ist sein Leben zur tristen Routine erstarrt. Durch Zufall stößt der unterforderte Rentner auf die Zeitungsanzeige der Privatdetektivin Julie (Lilah Richcreek Estrada), für die er als verdeckter Ermittler den Diebstahl einer wertvollen Halskette in dem Luxus-Seniorenresort »Pacific View« aufklären soll.
Es dauert vielleicht eine Weile, bis man mit dieser Comedy warm wird. Wer selbst einen nahen Angehörigen auf der Demenzstation eines Seniorenheims über lange Zeit hinweg besuchte, weiß, dass es dort nicht so bonbonfarben und geleckt aussieht wie in dieser Serie. Auch das gestresste Personal ist keineswegs so gut gelaunt und hilfsbereit wie in »Pacific View«, einer noblen Herberge für betuchte Alte. Bettlägerige Menschen? Auch die sieht man nicht in diesem Vorzeige-Altersheim.
Doch die Serie kriegt schließlich die Kurve, weil sie vor schwierigen Themen nicht zurückschreckt. Wie fühlt es sich an, wenn an diesem Ort, an dem jeder nur aufs Ende wartet, wieder eine geliebte Person mit den Füßen voran aus dem Haus getragen wird? Und welche Probleme entstehen, wenn mit schleichender Demenz das Ich-Gefühl langsam, aber unaufhaltsam zerbröselt? Auch der zunächst stromlinienförmig anmutende Ted Danson, der zunächst uninspiriert herumalbert, gewinnt allmählich an Kontur als verdeckter Ermittler, der eigentlich auf der Suche nach sich selbst ist.
Und in dem Maße, in dem man die liebevoll-skurril gezeichneten Bewohner dieses Seniorenstifts lieb gewinnt, wandelt sich auch der Tonfall der Inszenierung merklich. Fühlen sich die ersten Episoden wie eine klischeehafte Sitcom aus den 1980er Jahren an, so weitet sich mit einem Sightseeing zu berühmten Schauplätzen in San Franzisko die Perspektive. Je mehr Ted Danson als vormals depressiver Charles dabei seine Lebensfreude wiederentdeckt, desto erleichterter atmet man auch als Zuschauer durch. Und so punktet »A Man On The Inside« schließlich mit Wortwitz und ihrem sensiblen Blick auf die vielfältigen Erscheinungen von Einsamkeit im Alter.
OV-Trailer
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