Kritik zu Sein letztes Rennen
In der Rolle eines ehemaligen Marathonläufers und Olympiasiegers, der es in der Enge eines Altersheims nicht aushält, beweist Dieter Hallervorden, dass er weit mehrals ein großartiger Komiker sein kann
So weit sollte es nie kommen. Doch nun bleibt dem einst gefeierten Marathonläufer Paul Averhoff (Dieter Hallervorden) und seiner Frau Margot (Tatja Seibt) nichts anderes übrig. Seit Margot mehr und mehr an Schwächeanfällen leidet, ist ihr Haus im Grünen einfach zu groß für die beiden. Auf Drängen ihrer Tochter Birgit (Heike Makatsch) verlassen sie es schließlich und ziehen in ein Altenheim in Berlin. Doch die erzwungene Gemeinschaft, in der jede Stunde vorgeplant ist und alles reguliert wird, widerstrebt dem Olympiasieger von 1956 zutiefst. Die Einsamkeit des Langstreckenläufers hat ihn geprägt und sein ganzes Leben begleitet. Sie nun endgültig aufzugeben, das ist für Paul unvorstellbar. Und was soll er stattdessen machen? Mit anderen alten Menschen, die sich längst selbst aufgegeben haben, Kirchenlieder singen oder etwa Kastanienmännchen basteln?
Das Altersheim ist in Kilian Riedhofs Kinodebüt ein Ort der Erstarrung, ein unpersönlicher Wartesaal, in dem die Abgeschobenen und Verlassenen dem Ende entgegen dämmern. Ein bitterer und letztendlich durchaus realistischer Befund. Nur ist der Regisseur Riedhof anders als der Drehbuchautor Riedhof an einer sachlichen Abbildung der Verhältnisse nicht interessiert. Er setzt vielmehr auf spektakuläre Überhöhungen und simple Symbolik. Zum ersten Mal nähert sich die Kamera dem Altersheim von einem Hubschrauber aus. Während die Musik düster anschwillt und von dräuendem Unheil kündet, fliegt sie im Halbkreis um diesen Klotz von Gebäude, der sich in einer ansonsten idyllischen städtischen Parklandschaft erhebt. So beginnen Horrorfilme. Das Altersheim als haunted house. Zunächst ist das ein interessantes, wenn auch etwas plakatives Gedankenspiel.
Paul Averhoff verfolgen die Geister seiner Vergangenheit. Um der Enge und dem Stillstand des Heims zu entkommen, fängt er wieder an zu trainieren. Er will beweisen, dass sein Leben noch lange nicht vorbei ist, und beschließt, einen letzten Marathon zu laufen. Es ist schon faszinierend zu erleben, wie Dieter Hallervorden große Teile seiner eigenen Leinwandvergangenheit abstreift und sich ganz in diesen Läufer versenkt, der niemals aufgibt. Innerhalb kürzester Zeit sind alle Erinnerungen an die Didi-Filme ausgelöscht. Die Präzision und die Wucht, mit denen Hallervorden diesen Mann porträtiert, sind überwältigend. Dieser Paul Averhoff lehnt sich eben nicht nur gegen ein entwürdigendes System auf. Er kämpft zugleich auch noch gegen die Zeit und den eigenen Körper. So reißt der Marathonläufer nach und nach die anderen Altersheimbewohner aus ihrer Apathie heraus.
Von dieser eigentlich ganz simplen Geschichte geht an sich schon eine ungeheure Wirkung aus. Doch allem Anschein nach hat Kilian Riedhof weder seinem Drehbuch noch seinem Ensemble vertraut. Also setzt er immer wieder Ausrufezeichen oder unterstreicht einzelne Momente, mal in Form einer Zeitlupensequenz, mal durch eine überlebensgroße Nahaufnahme. Nur nimmt er der Erzählung durch diesen unreflektierten Einsatz greller filmischer Mittel viel von ihrer Wirkung.
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns