Netflix: »The Madness«
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Privat mag nicht alles rund laufen für Muncie Daniels (Colman Domingo): die Scheidung steht bevor und die erwachsene Tochter beschränkt den Kontakt ohnehin längst auf ein Minimum. Beruflich sieht es für den meinungsstarken Journalisten besser aus. Eine eigene CNN-Sendung scheint in greifbarer Nähe und auch ein Buch ist in Arbeit. Doch eine Schreibauszeit in den Poconos Mountains sorgt dafür, dass Muncie bald ganz andere Sorgen hat.
Der vermeintlich so freundliche Mann eine Hütte weiter liegt plötzlich zerstückelt in seiner Sauna, und auch Muncie wollen die maskierten Täter im Wald an den Kragen. Als sich der Tote dann auch noch als einflussreicher Neonazi herausstellt, wird schnell klar, dass ein aus dem Fernsehen bekannter Schwarzer Ex-Aktivist sich sowohl für die Polizei als auch für die mediale Öffentlichkeit perfekt als Mordverdächtiger eignet. Familie und Karriere werden gleichermaßen in die Sache hineingezogen, und nicht erst, als auch ein Milliardär (Bradley Whitford) verwickelt zu sein scheint und FBI-Mann Quiñones (John Ortiz) mit ganz eigener Agenda ermittelt, sieht Muncie die einzige Chance darin, auf eigene Faust die Wahrheit ans Licht zu bringen und seinen Namen reinzuwaschen.
Auf den ersten Blick erweckt »The Madness« den Eindruck, dass hier gesellschaftspolitisch die ganz heißen Eisen angepackt werden. Es geht um Rassismus und korrupte Cops, um Cancel-Culture und Fake News, um rechtsnationale Strömungen und Verschwörungstheorien. Lange dauert es allerdings nicht, bis man merkt: Letztlich hat die Serie weder den Mumm noch das Interesse, wirklich etwas zu diesen Themen zu sagen, die deswegen bloß zu schmückendem, oft widersprüchlichem Beiwerk in einem doch eher schlichten Paranoia-Thriller-Plot werden.
In den besten Momenten sieht man darüber gerne hinweg, denn da bietet »The Madness« genug Spannung, um am Ball zu bleiben, irgendwo zwischen »Auf der Flucht« und Hitchcock. Doch das allein kann die Serie nicht retten, zu viele Logiklöcher finden sich im Plot, zu sehr scheinen die Nebenfiguren und ihre Konflikte bloß Drehbuchzwecken zu folgen, statt glaubwürdigen zwischenmenschlichen Beziehungen zu entsprechen. Und die Art und Weise, wie hier Blackness erzählerisch in den Vordergrund gerückt wird, wirkt nicht annähernd so authentisch und allumfassend wie aktuell etwa in der Prime-Video-Serie »Cross«.
Bedauerlich ist das nicht zuletzt für den auch hier exzellent spielenden und einnehmend charismatischen Hauptdarsteller Colman Domingo. Lange Jahre gehörte der heute 55-Jährige zu den bestgehüteten Geheimnissen der US-amerikanischen Schauspielszene, bevor er zuletzt mit Rollen in »Fear the Walking Dead«,»Euphoria«, als Mister in der Neuverfilmung »Die Farbe Lila« und der Oscarnominierung für das Biopic »Rustin« endlich den Durchbruch schaffte – eine zweite könnte für den hoffentlich bald auch bei uns startenden »Sing Sing« folgen.
OV-Trailer
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