Buch-Tipp: Die »Filmkritik«

Die Kino-Bande

Fast 28 Jahre, von Januar 1957 bis Oktober 1984, war die Zeitschrift »Filmkritik« eine Institution, die ihren Gegenstand sowohl in dessen ästhetischen Dimensionen als auch in seinen Verwertungszusammenhängen ernst nahm. Der jüngste Band der verdienstvollen Reihe »Film & Schrift«, herausgegeben von der Deutschen Kinemathek in Berlin, widmet sich erstmals nicht einem einzelnen Kritiker, sondern unternimmt die »Biografie einer Zeitschrift in Fragmenten«, wie die Herausgeber schreiben. Elf Autoren der Zeitschrift werden hier gewürdigt, die Herren Gregor, Patalas, Berghahn, Thiel, Kotulla, Schoenberner, Färber, Farocki, Bitomsky, Bühler und (der spätere Chefredakteur von epd film) Wilhelm Roth sowie als einzige Autorin Frieda Grafe (ein Text über Ingemo Engström war geplant, kam aber nicht zustande, wie bei der Vorstellung des Buchs Anfang September im Berliner Kino Arsenal zu erfahren war).

Was sie gemeinsam haben, ist die Tatsache, dass sie auch für andere Medien arbeiteten, für Rundfunk und Fernsehen. Damit gelangten sie »an die Schaltstellen der Macht in den beiden öffentlich-rechtlichen Systemen«, wo sie »eine herausragende filmpolitische Vermittlungs- & Förderungsarbeit leisteten«, wie Wolfram Schütte 2010 formulierte.

Untersucht werden zum einen die Herangehensweisen in den Fernseh- (und gelegentlich auch Rundfunk-)Beiträgen, von feuilletonistisch (eher selten) über didaktisch bis hin zu eher späten eigenwilligen Formen (überwiegend für die Filmredaktion des WDR), die die Vermittlung selbst reflektierten.

Heute unglaublich, hier zu lesen, dass am 30.6.1964 eine Dokumentation zum Krieg im deutschen Film die »höchste Sehbeteiligung aller ZDF-Sendungen an diesem Abend hatte« oder dass am 18.2.1967 im Dritten Programm des WDR ein 133-minütiges Streitgespräch über Filmkritik ausgestrahlt wurde.

Was aber auch zur Sprache kommt, sind die Umarbeitungen von Texten aus der Zeitschrift zu Radio- und Fernsehformaten (oder zu Texten in anderen Printmedien, vorwiegend Zeitungen). In ihren letzten Jahren, so scheint es, hat die Zeitschrift finanziell nur überlebt, weil ihre Autoren beim WDR kontinuierlich arbeiten konnten. Auch mit diesem Aspekt ist man dann ganz schnell bei der Lage der (gedruckten) Filmpublizistik in der Gegenwart angekommen.

Die Lektüre weckt Lust, sich viele der Sendungen anzusehen. Nur wenige sind auf DVD erschienen, wie Arbeiten von Wolf-Eckart Bühler in der »Edition Filmmuseum«. Die Fußnoten weisen auf einige Verfügbarkeiten hin, aber das ist leider nur ein Bruchteil. Es wäre definitiv wünschenswert, dass mehr davon zugänglich wäre.


 

Rolf Aurich, Michael Wedel (Hg.): Die »Filmkritik«. Eine Zeitschrift und die Medien. edition text + kritik, München 2024. 270 S., 29 €.

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