31. Filmfest Oldenburg

Habt ihr uns vergessen?
Foto: CWScholz

Foto: CWScholz

Das Filmfest Oldenburg richtete den Blick auf Myanmar: mit einem Tribute an den Regisseur Na Gyi und die Schauspielerin Paing Phyo Thu

Kurz vor Beginn des Eröffnungsfilms streckte das Publikum im Oldenburger CinemaxX die Hände in die Höhe und zeigte den Dreifingergruß. Es war eine Botschaft an den Regisseur Na Gyi und die Schauspielerin Paing Phyo Thu. Der Gruß, der ursprünglich aus der »Tribute von Panem«-Reihe stammt, ist in Myanmar zum Symbol der Widerstandsbewegung gegen die Militärdiktatur geworden. Als das Militär 2021 der demokratisch gewählten Regierung gewaltsam die Macht entriss, beteiligten sich Na Gyi und Paing Phyo Thu an den Protesten dagegen. Von der in Myanmar sehr beliebten Paing Phyo Thu ist dabei ein für den Pulitzerpreis nominiertes Bild entstanden. Nachdem das Militär wegen ihrer politischen Aktivitäten einen Haftbefehl gegen Na Gyi und Paing Phyo Thu erlassen hatte, musste das Paar untertauchen. Aus dem Exil heraus gründeten sie die Organisation »Artists' Shelter«, die versucht, im Exil befindliche Künstler aus Myanmar zu unterstützen. Das Filmfest Oldenburg ehrte Na Gyi und Paing Phyo Thu nun mit einem Tribute. Zu sehen waren drei Kurz- und zwei Spielfilme. Wie bereits 2021, als ihr kurz vor dem Militärputsch entstandener Film »What Happened to the Wolf?« Premiere feierte, konnten sie nicht persönlich anwesend sein. Zur Verleihung des im Rahmen des Tribute vergebenen Awards sendeten sie eine Videobotschaft, in der sie zur Solidarität mit den Menschen in Myanmar aufriefen.

»Als Russland die Ukraine angriff, hat die ganze Welt uns vergessen!«: Diesen Satz sagt einer der Protagonisten im Kurzfilm »Guilt«. Wie alle der drei Kurzfilme ist er im Exil entstanden und zeigt einen jungen Mann, der mit brutalen Foltermethoden vom Militär verhört wird, und parallel eine junge Frau, die unter widrigen Umständen nach Thailand flieht. Mit wenigen Mitteln schafft Na Gyi es in allen drei Filmen, den Horror greifbar zu machen, der in Myanmar nach wie vor stattfindet. Die Betroffenheit war dem Publikum nach den Vorführungen deutlich anzumerken.

Auch wenn die politischen Hintergründe zwangsläufig einen großen Raum einnahmen, betonte Festivalleiter Torsten Neumann, dass die Auszeichnung eine für das filmische Werk sei. Wie gerechtfertigt dies ist, unterstrichen die Spielfilme »Mi« (2018) und »What Happened to the Wolf?«. Während die Kurzfilme eher dokumentarisch gehalten sind, ist bei diesen Filmen die poetische Handschrift von Na Gyi erkennbar. Politische Botschaften finden sich hier eher unterschwellig in der rebellischen Haltung der Figuren. Die von Paing Phyo Thu gespielte Mi ist eine freigeistige junge Frau, die sich den Konventionen der burmesischen Gesellschaft in den 1940er Jahren widersetzt und den Männern, die sie umschwärmen, Rätsel aufgibt. Erst gegen Ende öffnet sich die an Tuberkulose erkrankte Mi dem unsterblich in sie verliebten Thaw Swe (Nay Toe). »Mi« ist eine Adaption eines klassischen myanmarischen Romans von Ki Aye. Mit der Zeit entwickelt der Film einen starken Hang zur Melodramatik, fasziniert aber durchweg durch die hochstilisierte Komposition aus perfekt arrangierten Szenenbildern, Kostümen und einnehmender Musik.

»What Happened to the Wolf?« handelt von zwei todkranken jungen Frauen, die sich im Krankenhaus kennenlernen und sich mit der Zeit immer näherkommen. Die eher rebellische Way Way (Paing Phyo Thu) regt dabei die aus wohlhabendem Hause stammende Moe (Eaindra Kyaw Zin) dazu an, aus ihrem einengenden Korsett aus Beruf und Ehe auszubrechen. In vielen kleinen, zarten Momenten erzählt der Film vom Leben in der Erwartung des Todes und zeigt Angst, Wut, Verzweiflung und Lebenslust seiner Protagonistinnen.

Was alle Filme des Tribute (und auch viele andere Filme des Filmfests) eint, ist die Tatsache, dass sie trotz Globalisierung und Streamingüberfluss selten den Weg zu uns finden. Aufmerksamkeit für die Konflikte eines zerrissenen Landes und für wenig beachtete Filmkunst gingen bei diesem Tribute Hand in Hand.

Meinung zum Thema

Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns

Mit dieser Frage versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt