Netflix: »Supacell«
© Ana Blumenkron/Netflix
Als Rodney (Calvin Demba) das erste Mal seine Superpower spürt, schießt er weit übers Ziel hinaus: Der Drogendealer läuft in London los – und findet sich plötzlich in Edinburgh wieder. Statt sein Leben zu verändern, setzt er seinen »Superspeed« von da an als Werbegag fürs eigene Business ein. Seiner Klientel verspricht er bei Bestellung, wenn sie ihr »Weed« nicht fünf Minuten später in den Händen hielten, müssten sie nichts bezahlen.
In ähnlicher Weise kommt dem Gang-Anführer Tazer (Josh Tedeku) sein plötzlich entdecktes Talent zupass: Inmitten der Messerstecherei mit der konkurrierenden Gang kann er sich unsichtbar machen, ein unschätzbarer Vorteil im Bandenkrieg. Andre (Eric Kofi Abrefa) ist skeptischer, was die Ausnutzung seiner außerordentlichen Kräfte angeht. Der geschiedene Vater wurde gerade aus dem Gefängnis entlassen und versucht verzweifelt, einen Job zu ergattern und eine Beziehung zu seinem Teenagersohn aufzubauen. Als er eines Nachts am Geldautomaten feststellen muss, dass man ihn bei seinem letzten Job nicht bezahlt hat, schlägt er wütend auf den Kasten in der Wand ein. Die unbeabsichtigte Wucht lässt die Scheine auf die Straße regnen. Mit scheuem Blick auf die allgegenwärtigen Kameras des CCTV sammelt Andre das Geld ein. Er weiß, dass seine Probleme durch Kraftakte wie diesen nicht wirklich zu lösen sind
Der Krankenschwester Sabrina (Nadine Mills) ist ihre eigene Gewaltbegabung sogar unheimlich. Sie konnte damit zwar den sexuellen Übergriff auf ihre Schwester im Hinterhof einer Disco verhindern, verspürt aber den Gewissensdrang, sich der Polizei zu stellen. Und dann ist da noch Paketlieferant Michael (Tosin Cole), der entdecken muss, dass seine Fähigkeit zur Teleportation nicht nur für die räumliche, sondern auch für die zeitliche Dimension gilt. Mit Schrecken findet er sich am Grab seiner über alles geliebten Dionne (Adelayo Adedayo) wieder, wenige Wochen in der Zukunft. Eine Gestalt (sein zukünftiges Ich) erklärt ihm, dass er ihren Tod noch verhindern könne, allerdings müsse er sich dafür mit Sabrina, Andre, Tazer und Rodney zusammentun. Nur wie soll Michael in einer Stadt wie London vier Menschen ausfindig machen, von denen er nur die Vornamen weiß?
»Rapman« nennt sich der Schöpfer dieser britischen Netflix-Produktion, die dem für ausgereizt befundenen Superhelden-Genre neue und bewegende Facetten abgewinnt. Andrew Onwubolu, so Rapmans bürgerlicher Name, hat bereits als sozial engagierter Musiker und YouTube-Filmemacher Karriere gemacht. In »Supacell« verbindet er in meisterhafter Weise die Lebensumstände junger Schwarzer in Londons Süden mit den Fragen, die bei Spider-Man und den anderen zum Klischee geworden sind. Von wegen »mit großer Kraft kommt große Verantwortung«. Gerade weil Rodney, Michael und die anderen in ihrem von Rassismus geprägten Alltag schon ständig zu kämpfen haben, stellen Superkräfte jeden Einzelnen vor neue Herausforderungen.
OV-Trailer
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